Die Maenner vom Meer - Roman
Stimme Festigkeit zu geben suchte.
»Verglichen mit euch Wikingern sind sie allesamt Stümper«, antwortete Mistui. »Sie nehmen, was ihnen der Zufall in die Hände spielt, während ihr das Seeräubern wie ein Handwerk betreibt, das, je besser man es beherrscht, desto größeren Gewinn bringt. Ich würde dich nicht um diesen Gefallen bitten, wüßte ich nicht aus eigener Erfahrung, wie nützlich deine Unterweisungen sind.«
»Ach ja, das waren noch Zeiten, als wir drüben in Schonen auf Beute ausgingen«, schmunzelte König Harald. »Erinnerst du dich, wie wir Skaneyrr plünderten?«
»Du könntest statt Skaneyrr ein Dutzend anderer Namen nennen, und alles stünde mir vor Augen, als wäre es gestern gewesen«, erwiderte Mistui. »Du bist ein berühmter König geworden, Bruder, doch als Wikinger hättest du nicht geringeren Ruhm geerntet.«
Harald deutete mit einem Lächeln an, wie wohl ihm die Schmeichelei tat. »Dem König ist manches Mal zugute gekommen, daß ein Wikinger in ihm steckt, lieber Bruder«, sagte er. »Erlaubst du mir, die Männer selbst auszuwählen?«
»Ich lasse dir in allem freie Hand, Bruder.«
»Es sollen nicht mehr als dreißig sein, jeweils zehn auf drei kleine Schiffe verteilt. Von meinen Leuten will ich Styrbjörn dabeihaben und Björn Hasenscharte. Der eine soll deinen Männern zeigen, wie ein Wikinger kämpft, und den anderen möchte ich im Auge behalten.« Dabei zwinkerte er Björn einäugig zu und schnitt eine schiefe Fratze.
Wenn Björn später von Harald Blauzahns letzten Tagen erzählte, zog er gern den Vergleich mit einem alten morschen Baum, der noch einmal grüne Triebe zeigt, bevor der Sturm ihn fällt. Bereitsam nächsten Morgen habe Harald unter Mistuis Männern dreißig ausgewählt, und der Obodritenkönig habe ihm versichert, daß er selbst keine bessere Wahl hätte treffen können. Kurz darauf seien sie mit drei Schiffen zu einer Bucht im Norden der vorgelagerten Insel gesegelt. Dort habe Harald die Obodriten in eine harte Zucht genommen und ihnen binnen kurzer Zeit Kenntnisse vermittelt, die zu erwerben er, Björn, Jahre gebraucht habe. In jenen von strenger Unterweisung erfüllten Tagen und Nächten habe sich manches ereignet, das sich zu erzählen lohne, aber am tiefsten habe sich seiner Erinnerung eingeprägt, welche erstaunliche Wandlung mit König Harald vor sich gegangen sei. Mit jedem Tag habe sich der von Gebrechen geplagte Greis gleichsam um Jahre verjüngt; man habe förmlich sehen können, wie das Leben in den von Alter und Krankheit gezeichneten Körper zurückgekehrt sei. Statt wehleidig zu klagen, habe man ihn Befehle brüllen, scherzen, oft auch lachen hören. Kraftvoll, als sei sie schon immer seine Schwerthand gewesen, habe seine Linke das Schwert geschwungen, und es sei sogar vorgekommen, daß er eine Weile unter Wasser verbracht habe, um den Obodriten zu zeigen, wie man durch ein Schilfrohr atmet.
Als der Herbst sich mit den ersten Stürmen ankündigte, fand Harald, es sei nun an der Zeit, zur Tat zu schreiten. Sie überfielen einige Dörfer an der Küste, und der König vermerkte befriedigt, daß die Obodriten sich mit den Fertigkeiten der Wikinger auch deren Skrupellosigkeit angeeignet hatten, denn es waren ihre eigenen Landsleute, die sie mordend und plündernd heimsuchten. Auf eine härtere Probe wurden sie gestellt, als sie in einer Vollmondnacht westwärts fuhren und auf eines von Thorgrim Flachnases Schiffen stießen. Einen Augenblick, erzählt Björn, hätten die Obodriten gezaudert, dann jedoch seien sie, von Harald lauthals angefeuert, längsseits gegangen und hätten das Wikingerschiff geentert. Dies habe Thorgrims Männer dermaßen verblüfft, daß sie erst zu kämpfen begonnen hätten, als ihre Lage schon aussichtslos gewesen sei.
Mit dem Wikingerschiff im Schlepptau kehrten sie in den Hafen der Jomsburg zurück. Als sie dort anlegten, hörte Björn denKönig zu Styrbjörn sagen: »Es ist lange her, daß ich mich so wohl gefühlt habe. Was hindert mich, auf diese Weise den Rest meines Lebens zu verbringen?«
»Dein Sohn, Herr«, war Styrbjörns knappe Antwort.
16
SVEN GABELBART KAM nicht selbst. Er sandte Odinkar mit dreißig Langschiffen, von denen Skjalm Hvide, Haralds alter Widersacher, allein zwölf gestellt hatte. Der greise Jarl saß, in Felle gehüllt, an Bord eines seiner Schiffe; er hatte sich vom Krankenlager aufgerafft, um das Ende seines Todfeindes mitzuerleben.
Die dänische Flotte ankerte zwischen der Insel und den
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