Die Maenner vom Meer - Roman
sei es in seiner Sippe immer so gewesen, und er denke nicht daran, auch nur um Haaresbreite von dem abzuweichen, was seine Vorfahren für gut befunden hätten.
»Nun laßt es euch schmecken«, rief er seinen Gästen zu, als die Speisen aufgetragen wurden. »Und wehe dem, der von meinem Tisch aufsteht, bevor er satt und besoffen ist!« Das Lachen, das diesen Worten folgte, brachte manchen dazu, sich für den Fall, daß das Haus zusammenstürzen sollte, nach einem Fluchtweg umzuschauen.
Wie eine Meute hungriger Wölfe fiel Thormods Mannschaft über die dampfenden Fleischberge her. Bjarki wurde seinem Beinamen vollauf gerecht, indem er die kochendheiße Brühe aus den Schüsseln schlürfte. Thormod bemerkte es mit Mißfallen, und um Skjalm von den rüden Tischsitten seiner Leute abzulenken, übermittelte er ihm König Haralds Grüße.
»Ich danke dir, wenngleich ich sicher bin, daß er dir keine Grüße an mich aufgetragen hat«, schmunzelte der Jarl. »Doch laß mich hören, was Harald Blauzahn dazu brachte, den alten Göttern abzuschwören.«
Nun erzählte Thormod von König Haralds Fest und Poppos Feuerprobe. Obwohl er nicht ahnte, daß außer ihm noch ein weiterer Zeuge des denkwürdigen Ereignisses am Tisch saß, hielt er sich im großen und ganzen an die Wahrheit. Als er geendet hatte, sagte Skjalm: »Wie immer es dieser Poppo zuwege gebracht haben mag, daß er sich nicht die Hände verbrannte: Für Harald bedeutet die Taufe ein gutes Geschäft. Denn wie ich höre, hat ihm der Kaiser sämtliche Abgaben erlassen. Nun kann er aus eigenen Mitteln ein Heer aufstellen und uns das Leben schwermachen. Aber so wahr ich Skjalm Hvide heiße: Niemand soll mir nachsagen, ich sei den alten Göttern untreu geworden.«
Mit diesen Worten, befand Thormod nach angemessenem Schweigen, habe sich Skjalm erneut als ein Mann ausgewiesen, der zu Höherem berufen sei, und falls es der Jarl nicht als Kränkung empfinde, von einem einfachen Kaufmann ein Geschenk anzunehmen, bäte er um die Erlaubnis, ihm ein solches überreichen zu dürfen. Skjalm Hvide nickte wohlwollend, und Thormod ließ einen Hautsack vom Schiff holen, den er vor Skjalms Augen aufschlitzte. Der Sack barg eine größere Zahl von Schwertklingen. Thormod nahm eine heraus, strich liebevoll über die Schneide und deutete auf die Runen, die in die Klinge geritzt waren: »Ulfberht der Franke hat sie geschmiedet; hier siehst du seinen Namen.« Damit legte er die Klinge in Skjalms Hände.
Die Augen des Jarls leuchteten auf. »Ich habe von Ulfberht gehört,und man hat mir berichtet, daß niemand bessere Klingen schmiedet als er«, sagte Skjalm. »Du machst mir mit diesem Geschenk eine große Freude, Thormod. Aber was verlangst du für die übrigen?«
Thormod entgegnete, er sei als Gast auf Skjalms Hof gekommen, nicht als Händler. Dies bestätigte der Jarl nachdrücklich und ließ ein Faß Bier anzapfen, das er sich, wie er sagte, nur mit seinen besten Freunden zu leeren vorgenommen habe. So ging das Gespräch eine Weile hin und her, bis sie sich handelseinig wurden und die Schwertklingen den Besitzer wechselten. Beide waren zufrieden. Skjalm glaubte die Waffen für einen Spottpreis erworben zu haben, und Thormod fand die Erfahrung bestätigt, daß nichts eine Ware so begehrenswert macht wie der gute Name ihres Herstellers; deshalb hatte er große Sorgfalt darauf verwandt, Ulfberhts Runen eigenhändig in die Klingen zu ritzen.
Sie blieben drei Tage auf Skjalm Hvides Hof. Den größten Teil der Zeit verbrachten sie schmausend und trinkend an der Tafel des Großbauern. Nebenher verkaufte Thormod dem Jarl eiserne Speer- und Pfeilspitzen, Streitäxte, Helme und Kettenhemden. Der herzliche Abschied ließ darauf schließen, daß beide der Meinung waren, einen guten Schnitt gemacht zu haben. Skjalm schenkte der Mannschaft ein Faß Bier und geleitete sie persönlich zum Schiff.
Der Wind hatte sich gelegt. Sie ruderten das Schiff aus der Bucht auf das Meer hinaus. Vor der Küste stand eine hohe Dünung, aber die Brise war zu schwach, das Schiff allein durch die Wellen zu treiben. Deshalb befahl Thormod den Ruderern, an den Riemen zu bleiben. Björn hatte inzwischen herausgefunden, daß das Rudern zu jenen Arbeiten zählt, die um so besser von der Hand gehen, je weniger man sich bei ihrer Verrichtung des Verstandes bedient. So konnte er seine Aufmerksamkeit ungeschmälert den Männern zuwenden, mit denen ihn das Schicksal auf dem Schiff zusammengeführt hatte. Da war, außer
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