Die Maenner vom Meer - Roman
bemerkte, daß einige der Männer ihn besorgt anblickten, er lachte. »Das ist das Wetter, bei dem ihr auf der Westsee schlafen werdet!« schrie er. »Denn dort gilt so etwas als Flaute.« Der Steuermann sagte nichts; seine Augen wanderten unablässig vom Segel zum Bug und von dort zu den Klippen vor der Nordspitze hinüber, an denen sich die Wogen mit dumpfem Grollen brachen.
Als die Landzunge hinter ihnen lag, ließ Hedin die Vorderkante des Segels mit dem Beitiàss steif durchsetzen und steuerte das Schiff so, daß Wind und Wellen fast von vorn kamen. Der Bug hob und senkte sich in mächtigen Schwüngen, aber es kam Ruhe in die Bewegungen des Schiffes, ganz so, als ob es tief und gleichmäßig zu atmen begonnen habe.
Sie fuhren so weit auf das Meer hinaus, bis die Küste von Seeland in Sicht kam. Dann warf Hedin das Ruder herum und ließ das Schiff mit achterlichem Wind nach Westen treiben. Aus den dahinjagenden Dunstschleiern trat immer deutlicher die Uferlandschaft einer großen Insel hervor. Björn sah ein im Sonnenlicht goldgelb aufleuchtendes Steilufer, wenig später schon die unzähligen Schlupflöcher der Seeschwalben, und während ihm das Donnern der Brandung noch in den Ohren dröhnte, war das Schiff bereits durch einen schmalen, kaum einen Steinwurf breiten Einschnitt in eine südwärts von Wald, nach Norden hin von Wiesen und Kornfeldern gesäumte Bucht gelangt.
Allmählich an Fahrt verlierend, aber noch immer von der Kraft des Windes zehrend, glitt das Schiff durch das seichte Wasser. Es war so klar, daß man den wellenförmig geriffelten Sandboden erkennen konnte, über den Schwärme blinkender Fischleiber zogen. Am jenseitigen Ufer der Bucht ließ Thormod das Schiff auflaufen.
»Ich werde zu Skjalm Hvide gehen und ihn fragen, ob ihm unser Besuch gelegen kommt«, sagte er zu Hedin, bevor er im Wald verschwand. Kurz darauf kehrte er mit einem Jüngling zurück, der Asser hieß und einer von Skjalms Söhnen war. Asser musterte die Besatzung schweigend, schien aber bald zu der Erkenntnis zu gelangen, daß keine Gefahr von ihr drohe, und bat sie, ihm zu folgen. Thormod ließ drei Männer als Wache beim Schiff zurück und schärfte den übrigen ein, sich gesittet zu betragen.
Skjalm Hvide nahm sie freundlich auf. Er entstammte einem Geschlecht, das seinen Ursprung auf den mit einer Riesin gezeugten Sohn des Gottes Baldur zurückführte, und wer ihn sah, mochte an seiner göttlichen Herkunft zweifeln, nicht aber daran, daß er ein Nachkomme der Riesin war. Sitzend überragte Skjalm alle, die neben ihm standen, sogar seine hünenhaften Söhne; wenn er sich jedoch erhob, wirkte er wie ein Baum, den statt eines Wipfels ein mächtiger, von grauem Haar umflatterter Kopf krönte. Gewaltig wie seine Körpermaße waren auch Skjalms Kraft und Stimme. Man sagte von ihm, daß er einem Ochsen mit bloßen Händen dasGenick brechen und mit seinem dröhnenden Lachen ein Haus zum Einsturz bringen könne. Mochte das auch übertrieben sein, so war sich Thormods Mannschaft jedenfalls darin einig, daß Skjalm Hvide von allen lebenden Menschen der größte sei; selbst Bjarki Fleischsuppe fiel keine Geschichte ein, die das Gegenteil besagte.
Skjalms Hof ähnelte einer Festung: Rings um die kreisförmig angeordneten Wohnhäuser und Stallungen befand sich eine Mauer aus hohen, oben zugespitzten Baumstämmen. Skjalm Hvide hatte viele Neider und Feinde, und mit besonderem Stolz erfüllte es ihn, daß auch König Harald zu ihnen zählte. Diesem war der Großbauer und Jarl ein Dorn im Auge, denn Skjalm ließ kein Thing aus, ohne öffentlich zu verkünden, daß ihm, ginge es nach Reichtum, Klugheit und dem Alter seines Geschlechts, die Königswürde gebühre. Nun war ihm zu Ohren gedrungen, daß Harald Christ geworden war, und er war begierig, Näheres darüber zu hören.
Der Jarl ließ einen Ochsen und drei Lämmer schlachten und bewirtete seine Gäste mit einem Bier, das Björn schon nach dem ersten Becher die Sinne zu benebeln begann. Skjalm saß, von seinen zwölf Söhnen und einer unübersehbar großen Schar halbwüchsiger Enkel umgeben, am Kopfende der Tafel. Obwohl es warm war, trug er einen schweren kostbaren Pelz, denn Skjalm war nicht nur reich, er liebte es auch, seinen Reichtum zu zeigen. Anders als Harald duldete Skjalm keine Frauen an seiner Tafel. Im Beisein von Frauen, pflegte er zu sagen, suchten die Männer einander an eitlem Gebaren zu übertreffen, statt sich ungezwungener Fröhlichkeit hinzugeben; außerdem
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