Die Maenner vom Meer - Roman
Verlangen nach Frauen war noch größer als ihr Hunger.
Später saßen sie auf weichen Fellen rings um das Herdfeuer, dessen spärliches Licht nur ihre Gesichter aus dem Dunkel hob. Sie aßen geräucherte Hammelköpfe und tranken Bier, das Thormod vom Schiff hatte holen lassen. Die Frauen waren schweigsam; wenn man sie etwas fragte, gaben sie einsilbige Antworten. Aber soviel erfuhren die Männer, daß Thormod eine Frau getötet hatte, die in der ganzen Gegend als Zauberin bekannt war.
Dies bot Bjarki Fleischsuppe Gelegenheit, von Erik Blutaxt zu erzählen, der eines Tages achtzig Zauberer, darunter zwei seiner Brüder, ertränkt habe. Da aber bekanntlich die letzten Worte eines Zauberers in Erfüllung gingen und sein letzter Blick Unglück brächte, habe Erik ihnen den Mund mit Werg stopfen und einen Sack über den Kopf stülpen lassen, bevor man sie ins Wasser warf. Obwohl dies offenkundig der Anfang einer längeren Geschichte war, mußte Bjarki es dabei bewenden lassen, denn Thormod schnitt ihm unwirsch das Wort ab. »Es war nicht meine Schuld, daß sie ums Leben kam«, sagte er. »Oder hätte ich mir von ihr den Schädel spalten lassen sollen, wie es Halfdan geschah?«
Gleichwohl sei es ratsam, dafür zu sorgen, daß sie ihre Drohung nicht wahrmachen könne, meinte Björn.
»Das ist ein guter Rat, Glücksbringer«, sagte Thormod. »Ich hoffe nur, du weißt auch, was da zu tun ist.«
Noch am gleichen Abend hoben sie eine Grube unter der Türschwelle aus, legten die Alte hinein, schnitten ihr den Kopf ab und trieben einen Pfahl durch ihre Brust. Dann schütteten sie das Loch zu, und Björn ritzte Zeichen in die Erde, die er sogleich wieder verwischte.
Als alles getan war, sagte Thormod: »Mir scheint, daß es Bischof Poppo wahrlich gut mit mir meinte, als er dich zu mir schickte,Björn Hasenscharte. Aber die Art, wie du Wiedergänger bannst, kommt mir nicht gerade christlich vor. Wer hat es dich gelehrt?«
»Gris der Weise«, antwortete Björn. Nun erzählte er, daß sie einander schon einmal begegnet seien, damals in Gris' Höhle, und Thormod erinnerte sich des Jünglings, der neben seinem Vater am Feuer gesessen hatte. Von diesem Tage an herrschte zwischen Thormod und Björn ein gutes Einvernehmen; öfter als die anderen zog der Schiffsführer ihn ins Gespräch und fragte ihn um Rat. Es sollte sich jedoch erweisen, daß Björns Gegenzauber dem Fluch der alten Frau nicht gewachsen war.
Am nächsten Morgen begruben sie Halfdan Lämmchen in einer flachen Felsmulde in der Nähe des Wassers; weil nicht genug Erde da war, häuften sie Steine und Moos auf den Leichnam. Als sie den Anker lichteten und das Schiff, von einer leichten Brise erfaßt, in die Schären hinaussegelte, gingen die Frauen ihrer Arbeit nach, als ob nichts geschehen sei. Aber gegen Ende des Sommers würde der Bauer mit seinen Söhnen heimkehren, und die Frauen würden von dem Überfall erzählen und Thormod und seine Mannschaft so genau beschreiben, daß man sie noch Jahre später als die Männer wiedererkennen würde, an denen es Rache zu nehmen galt.
Hedin stellte keine Fragen. Vermutlich hätte er ohnehin keine Antwort erhalten, denn die Männer waren verbittert und gereizt; auch Thormod hüllte sich in düsteres Schweigen. Ihm war, wie er Björn später erzählte, noch in derselben Nacht die alte Frau im Traum erschienen.
Der Wind war günstig, so daß Hedin es wagte, das Schiff aus den Schären auf das Meer hinauszusteuern. Je weiter sie sich von der Küste entfernten, desto deutlicher traten hinter den bewaldeten Kuppen des Vorgebirges die schroffen Flanken gewaltiger Felstürme hervor; oben waren sie von Wolken umhüllt, die nur selten den Blick auf einen schneebedeckten Gipfel freigaben. Nie zuvor habe er eine derart wilde und furchteinflößende Bergwelt gesehen, meinte Leif, und es falle ihm schwer, sich vorzustellen, daß dort Menschen lebten. Der Küstenstrich sei tatsächlich nahezu unbewohnt,entgegnete Hedin. Aber am Rand der tief ins Land einschneidenden Fjorde gäbe es Wiesen und fruchtbare Acker, und die Fjorde selbst wie auch die Bäche und Bergseen seien reich an Fischen. In einem der Täler, fuhr der Steuermann fort, habe er seine Kindheit verbracht, und es erfülle ihn mit Schmerz, in diesem Land nun geächtet zu sein.
»Du hast dir doch nichts zuschulden kommen lassen«, sagte Björn.
»Ich hätte einen Kurs steuern können, daß keiner von euch den Hof bemerkt hätte«, erwiderte Hedin. Und nun senkte er seine
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