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Die Maenner vom Meer - Roman

Titel: Die Maenner vom Meer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Konrad Hansen
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hatten oder dem König gar bewaffnet entgegentraten,gab Harald die Höfe zur Plünderung frei und überließ es seinen Männern, mit den Bewohnern nach Gutdünken zu verfahren.
    Als sie in die Gegend von Jelling kamen, wo Haralds eigener Hof lag, ließ der König ein befestigtes Lager errichten und die Wälle mit Männern besetzen, die ihm von Sigurd und Harek als besonders zuverlässig benannt worden waren. Da das Lager inmitten unbewohnter Heide lag und somit ein Angriff kaum zu erwarten war, dürfen wir den Zweck dieser Festung wohl darin vermuten, Haralds weiträumiges Anwesen vor dem eigenen Heer zu schützen.
    Jelling lag auf einer Anhöhe, die, bis auf einen schmalen, durch Palisaden gesicherten Zugang, von sumpfigem Gelände umgeben war. Über die Anhöhe waren Wohngebäude und Stallungen verteilt, aber ihre Kuppe wurde von zwei mächtigen, durch Menschenhand geschaffenen Hügeln und einer Holzkirche eingenommen. Letztere hatte Harald an einer Stelle errichten lassen, wo sich bis dahin ein im ganzen Norden berühmter heidnischer Tempel befunden hatte; der Erbauer der beiden Hügel jedoch war ebenso wie ihre Bedeutung in Vergessenheit geraten. Dies kam Harald gelegen, weil das Gerücht nicht verstummen wollte, er habe seine Mutter Thyra auf eine unwirtliche Insel im Nordmeer verbannt. So hatte er durch einen Skalden, der dem Volk das Unglaubliche mit einprägsamen Strophen glaubhaft zu machen verstand, verbreiten lassen, die Hügel enthielten die Gebeine seiner Eltern. Um ein übriges zu tun, hatte er einen Stein gesetzt, auf dem zu lesen stand, ihn habe König Gorm für Thyra, Dänemarks Zierde«, errichten lassen, obwohl jeder wußte, daß Gorm vor seiner Frau gestorben war und diese sich durch nichts ausgezeichnet hatte, was solche Lobpreisung rechtfertigte. Doch Harald vertraute der Wahrheit zeugenden Kraft der Runen, und dies galt auch für den zweiten Stein, auf dem er sich rühmte, Dänemark und Norwegen unter seine Herrschaft gebracht und die Dänen zu Christen gemacht zu haben - zweier Taten, von denen die eine durch die Ereignisse inzwischen überholt war und die andere erst noch vollbracht werden wollte.
    Auf Jelling begegnete Björn Nanna wieder, die mit den Gespielinnendes Königs im hinteren Teil des langgestreckten Wohnhauses untergekommen war. Damit niemand übersehe, daß sie die Tochter des Kalifen von Cordoba war, trug sie Kleider nach arabischer Art und hielt ihr Gesicht, bis auf die Augen, unter einem Tuch aus kostbarer Seide verborgen. Trotz des immer noch frostigen Wetters sah man sie in hauchdünnem Gewand und zierlichen Pantoffeln durch den Schnee schreiten, einem prächtigen Vogel vergleichbar, den es aus seiner sonnigen Heimat in den rauhen Norden verschlagen hatte.
    Nannas schwarze Augen weiteten sich vor Erstaunen, als Björn ihr in den Weg trat. »Sieh her«, sagte sie und lüftete ihr Kopftuch ein wenig an der Stelle, wo die Nadel mit dem Rabenkopf in ihrem Haar steckte. »Erinnerst du dich an mich, Björn Hasenscharte?«
    »Dazu bedürfte es der Nadel nicht«, antwortete Björn.
    »Sie hat mir Glück gebracht«, sagte Nanna. »Wenn es auch nur darin besteht, daß ich mich diesen Barbaren teurer verkaufe als jemals zuvor.« Mehr sprachen sie bei dieser Gelegenheit nicht miteinander. Als sie auf das Wohnhaus zueilte und der Wind das Kleid gegen ihren Rücken preßte, sah Björn, daß Nanna fett zu werden begann.
    Dem Winter fiel der Abschied schwer in diesem Jahr; mehrfach kehrte er, wenn der Schnee schon geschmolzen und das Eis der Förden geborsten war, mit Schneestürmen und grimmiger Kälte zurück. Beim ersten Tauwetter brach Sven mit Skarthi nach Norden auf. Niemand wußte, wohin sie ritten, und der König schwieg sich darüber aus, ob Sven ihn über Zweck und Ziel seiner Reise in Kenntnis gesetzt hatte. Allenfalls war Harald eine gewisse Erleichterung anzumerken, aber diese mochte auch davon herrühren, daß er sich seit Monaten wieder in gewohnter Umgebung befand.
    Mit zunehmendem Alter trat unter Haralds Wesenszügen einer immer deutlicher hervor: seine Trägheit. Wenn er nicht zum Handeln gezwungen gewesen war, hatte er es schon in jüngeren Jahren gern anderen überlassen. Nun aber, durch Alter und Krankheit geschwächt, schien er sein Vergnügen allein noch im Nichtstun zufinden. So verbrachte er die ersten Wochen auf Jelling damit, auf weichen Fellen liegend oder im Badezuber hockend vor sich hin zu dösen. Mit seinen Leuten pflegte er sich durch knappe Gebärden zu

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