Die Maenner vom Meer - Roman
verständigen, nur mit Björn wechselte er hin und wieder einige Worte.
Er war, außer Tryn, der einzige, den der König ständig in seiner Nähe duldete. Er wusch ihm den Rücken, wenn Harald sein tägliches Bad nahm, er kostete die Speisen, die man Harald brachte, bevor dieser selbst davon aß, er hockte an Haralds Bett und gab seine Geschichten zum besten, bis dem König die Augen zufielen und Tryn ihn mit einem Grunzen aufforderte, das Schlafgemach zu verlassen. Björn erzählt, Harald Blauzahn habe ihn anfangs nicht besser behandelt als seine Diener, doch nach einigen Wochen habe er ihn auf ungewöhnliche Weise in den Rang eines Gefolgsmannes erhoben. Eines Morgens sei er, Björn, fiebernd und in Schweiß gebadet erwacht. Vergeblich habe er den Knechten des Königs versichert, er sei krank und könne sich kaum auf den Beinen halten: Die Knechte hätten ihn vom Lager gehoben und in Haralds Schlafgemach getragen, wo der König ihn mit den Worten empfangen habe, der einzige Gefolgsmann, der es sich erlauben könne, seinen Herren warten zu lassen, sei ein toter Gefolgsmann.
Als die Tage länger wurden und die Sonne das erste Grün aus dem Boden lockte, schien im König das Bedürfnis nach Geselligkeit zu erwachen. Er ließ einige seiner Gespielinnen kommen, junge Sklavinnen von betörender Schönheit, die ihm mit schmiegsamen Händen manche Wohltat erwiesen. Einmal erschien auch Nanna im königlichen Schlafgemach. Sie legte ihr arabisches Gewand ab, schlüpfte aus den Kleidern, die sie darunter trug, und bot dem König ihren nackten, bei aller Üppigkeit immer noch wohlgeformten Körper dar. Harald streckte aus der zur Faust geballten Hand den Mittelfinger empor, und Nanna schien die Bedeutung dieser Geste geläufig zu sein, denn sie kniete nieder, legte mit kundigen Griffen Haralds Gemächt frei und nahm sein Glied zwischen ihre grellgeschminkten Lippen. Björn blickte auf Nannas weißes, ausladendgewölbtes Gesäß, während zugleich ein leises Schmatzen an sein Ohr drang, er hörte den König wohlig stöhnen, und dann ertrug er es nicht länger: Mit einem Ruck wandte er sich zur Tür und stürzte hinaus.
Nach einer Weile kam Nanna, nun wieder angekleidet, aus dem Schlafgemach und winkte Björn zu sich. »Was bewirkte deinen eiligen Aufbruch, Björn Hasenscharte?« fragte sie, und der Klang ihrer Stimme verriet ihm, daß sie lächelte. »Wenn es aus Eifersucht geschah, so hüte dich davor, daß sie aus dir einen Tölpel macht. Denn wie dem König stehe ich jedem zu Diensten, der zahlt, was ich als Tochter des Kalifen zu fordern berechtigt bin.« Damit entschwebte sie zierlichen Schrittes in die hinteren Räume.
Nachdem sich herumgesprochen hatte, daß Harald des Alleinseins überdrüssig geworden sei, versammelten sich seine Gefolgsleute frühmorgens vor der Tür des Schlafgemachs und gerieten nicht selten in lauten Streit darüber, welcher von ihnen, seinem Rang und seiner Verdienste gemäß, als erster zum König vorgelassen werde. Statt daran Anstoß zu nehmen, lauschte Harald vergnügt dem hitzigen Gespräch, bedachte diese Äußerung mit einem Kopfschütteln, jene mit verhaltenem Kichern, hielt sich jedoch nicht im mindesten an die Reihenfolge, auf die man sich vor der Tür nach langem Wortwechsel schließlich geeinigt hatte. Oftmals war es keinem seiner Gefolgsleute vergönnt, den morgendlichen Verrichtungen des Königs beizuwohnen, während er Reisenden, mochten sie auch niederen Standes sein, bereitwillig Einlaß gewährte.
Einer von ihnen war Gilli der Russe. Nachdem das Eis eine schmale Fahrrinne freigegeben hatte, war er mit seinem Schiff bei günstigem Wind die Förde heraufgesegelt und in der Nähe des Königshofs vor Anker gegangen. Wie es den Gepflogenheiten entsprach, suchte Gilli zunächst den Anschein zu erwecken, er habe sich aus keinem anderen Grund auf die beschwerliche Reise begeben, als sich persönlich nach dem Befinden des Königs zu erkundigen. Wider Erwarten gab Harald jedoch nur eine oberflächlicheBeschreibung seiner Krankheiten und fragte dann mit sichtlicher Ungeduld, was Gilli an Neuigkeiten bringe. Dies schien den Sklavenhändler in Verlegenheit zu setzen, und mit sorgenvoller Miene erinnerte er den König an dessen Vater Gorm, der Überbringer schlechter Nachrichten zwar anzuhören, gleich darauf aber zu köpfen geruht habe. Da solches jedoch von Harald Blauzahn, einem getauften und somit christliche Barmherzigkeit übenden Herrscher, wohl nicht zu befürchten sei, wolle er
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