Die Männer von Bravo Two Zero
waren wir im Armenviertel der Stadt. Es mußte sich um ein reines Wohngebiet handeln, denn es deutete nichts auf irgendwelche Bombardierungen hin. Man wäre überhaupt nicht auf die
Idee gekommen, daß Krieg war. Die Straßen waren asphaltiert, aber voller Schlaglöcher, und die Bürgersteige waren einfach aus Sand. Alte Autos standen verlassen am Straßenrand. Wir hielten vor einem großen Holztor. Es öffnete sich nach innen, sobald der Wagen vorfuhr, und wir rollten in einen kleinen Hof, der kaum größer war als der Wendekreis des großen Jeeps. Soldaten warteten auf uns, und ich spürte den vertrauten angstvollen Druck in der Magengegend. Dinger und ich sahen uns ausdruckslos an.
Ich wollte aufblicken, als wir aus dem Wagen gedrängt wurden, doch ich hielt den Kopf bewußt gesenkt, um niemanden gegen mich aufzubringen. Es war stockfinster, und ich rechnete jeden Augenblick damit, daß sie anfingen, uns zu prügeln. Wir wurden in ein Gebäude gezerrt und über einen Gang getrieben, der kaum breiter war als meine Schultern. Es war völlig dunkel, und der Soldat vor mir mußte seine Taschenlampe benutzen. Wir kamen in einen Bereich, wo eine Reihe von etwa zwölf Türen war, alle ganz dicht nebeneinander. Der Soldat öffnete eine davon, stieß mich hinein, nahm mir die Handschellen ab und schloß die Tür. Ich hörte, wie ein Riegel vorgeschoben und ein Schloß eingehängt wurde.
Es gab kein bißchen Licht. Es war so dunkel, daß ich nicht die Hand vor Augen sehen konnte. Es stank ekelerregend nach Scheiße. Ich ging auf alle viere und ertastete meine Umgebung. Viel gab es da nicht zu ertasten. Der Raum war winzig, und binnen kurzem hatte ich die beiden Keramiktritte links und rechts von einem Loch mit gut 20 Zentimetern Durchmesser entdeckt. Kein Wunder, daß es in meinem Schlafzimmer stank. Ich war in einem miesen arabischen Scheißhaus.
Man muß aus jeder Situation das Beste machen, und jetzt hatte ich Gelegenheit, den Schlaf zu kriegen, den ich dringend brauchte. Ich wollte meine Zeit nicht damit verschwenden, über irgendwas nachzudenken. Ich hatte keinen Platz, um mich auszustrecken, und so rollte ich mich mühselig um das Loch im Boden. Es gab keine Lüftung, und der Gestank war unerträglich, doch was will man machen. Es war schon eine Erleichterung, daß man mich nicht wieder geschlagen hatte. Ich schlief auf der Stelle ein.
Zehn
Als ich aufwachte, fühlte ich mich wie betäubt. Weiter den Gang hinunter gingen lärmend Türen auf. Leute sprachen; ich konnte es zwar hören, aber es war mir nicht richtig bewußt, da ich regelrecht benebelt war. Ich fragte mich, wie spät es wohl war. Meine innere Uhr hatte vollständig den Geist aufgegeben, und ich wußte nicht einmal, ob es Tag oder Nacht war. Man sollte unbedingt versuchen, Uhrzeit und Datum ungefähr im Kopf zu behalten, vor allem deshalb, weil man sich dann etwas besser fühlt, aber auch, weil es den Verstand in Gang hält. Wenn man nicht mehr weiß, welcher Tag es ist, verliert man irgendwann auch das Gefühl für Wochen und Monate. Zeit wird bedeutungslos, bis man irgendwann vollends den Bezug zur Realität verliert. Deshalb sollte man vom ersten Tag an alles versuchen, um eine zeitliche Orientierung zu bewahren. Man schaut, falls möglich, bei anderen Leuten auf die Armbanduhr, denn alle Uhren haben Ziffern, die man auch in fremden Ländern ablesen kann. Bislang hatte keiner der Wachmänner eine Uhr getragen, ein Zeichen von Umsicht. Doch ich war fix und fertig, und solche Überlegungen waren mittlerweile unerheblich. Ich machte mir mehr Gedanken darüber, ob ich überleben würde.
Ich war noch immer ziemlich weggetreten, als sie an meine Tür kamen.
»Andy! Andy! Andy!« rief ein Wachmann durch die Tür mit einer fröhlichen Ferienlager-Stimme. »Alles okay, Andy?«
»Ja, ja, ich bin okay!« Ich versuchte, fröhlich und höflich zu klingen.
Meine Muskeln hatten sich verkrampft; ich war steif wie ein Brett. Ich gab mir alle Mühe aufzustehen. Wenn sie sahen, daß ich einfach nur dalag, ohne es wenigstens zu versuchen, würden sie mich fertigmachen. Doch ich konnte mich nicht bewegen.
Die Tür ging auf, und Tageslicht drang herein. Ich streckte die Arme, die Handflächen nach außen, zum Zeichen meiner Hilflosigkeit.
»Ich kann mich nicht bewegen«, sagte ich. »Steif.«
Er rief einen weiteren Wachmann. Ich spannte meine schmerzenden Muskeln an, um mich gegen die Tritte zu wappnen, die ich jeden Moment abkriegen würde.
Sie kamen in die
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