Die Männer von Bravo Two Zero
Hatte Saddam Geburtstag, oder was?
»Wie geht’s deinen Händen?« flüsterte ich Dinger ins Ohr, weil ich nicht wußte, ob die Zelle abgehört wurde.
»Beschissen«, sagte er.
Das freute mich. Ich wäre sauer gewesen, wenn es meinen schlechter gegangen wäre als seinen.
»Ich habe noch immer meine Karte und meinen Kompaß«, sagte ich.
»Ja, ich auch. Nicht zu fassen.«
»Gold?«
»Haben Zivilisten mir abgenommen. Und deins?«
»Haben die Offiziere eingesackt.«
»Wichser, alle wie sie da sind.«
Die nächste halbe Stunde benahmen wir uns wie zwei Kinder, die ihre Schrammen vergleichen. Wir zogen über die Wachen her und ließen richtig Dampf ab. Dann arrangierten wir die Decke so, daß sie unter unserem Hintern den Rücken hoch bis über die Schultern lag. Als wir hin und her rutschten, um möglichst bequem zu sitzen, zogen sich die Handschellen immer straffer zusammen.
So saß ich neben Dinger in der Dunkelheit und erfuhr, was ihm, Legs und Bob nach unserer Trennung passiert war.
Als sie an der Hecke entlang liefen, hörte Dinger ein Geräusch und blieb stehen. Legs und Bob waren hinter ihm. Sie konnten keine Warnung nach vorn rufen. Der Stoßtrupp war gesprengt.
Das Geräusch verklang. Sie warteten zehn Minuten, aber niemand kehrte zurück. Sie gingen weiter. Sie hatten gerade mal 200 Meter zurückgelegt, als sie aus zirka 15 Metern Entfernung angegriffen wurden. Zwei Schüsse verfehlten sie um Haaresbreite. Dann wurde aus vielen Stellungen geschossen. Es kam zu einem Schußwechsel, bei dem Bob von den beiden anderen getrennt wurde.
Dinger und Legs feuerten und zogen sich wieder zum Fluß zurück. Sie hörten etwa 150 Meter entfernt wildes Schießen und Geschrei. Die Iraker hatten sich verteilt und kamen auf sie zu.
Dinger und Legs hatten zusammen einen Gurt von 30 Schuß für die Minimi und ein Magazin. Es war aussichtslos, sich den Weg freizuschießen. Sie hatten keine andere Wahl, als den Fluß zu überqueren. Sie kamen ans Ufer und entdeckten ein kleines Boot. Sie versuchten, es loszuketten. Ohne Erfolg. Sie wollten das Vorhängeschloß nicht aufschießen, also gab es nur noch einen Fluchtweg.
Der Fluß sah aus, als wäre er nur 100 Meter breit, und die Strömung schien langsam zu sein. Das Wasser war so kalt, daß es Dinger schier den Atem nahm. Als sie ans Ufer wankten, stellten sie fest, daß sie bloß einen Seitenarm durchschwömmen hatten. Sie saßen mitten im Fluß auf einer Landzunge fest, und an dem Ufer, von wo aus sie losgeschwommen waren, wurde geschossen und geschrien, und Taschenlampen leuchteten über das Wasser. Sie suchten Deckung. Die Landzunge konnte von einer Straßensperre auf einer Pontonbrücke etwa 250 Meter entfernt übersehen werden. Es gab keine Deckung; beide Männer schlotterten vor Kälte. Legs erkundete die Gegend, um herauszufinden, wie und wo sie wegkonnten. Noch immer hörten sie die anderen Gefechte, darunter eins mit einer Minimi, das sehr lange dauerte. Das mußte Bob sein. Dann wurde es still.
Legs fand eine Styroporbox, die sie kaputtbrachen und sich als eine Art Schwimmweste unters Hemd stopften. Der einzige Weg von der Landzunge war die Brücke, doch da waren feindliche Soldaten, also mußten sie den
Strom durchschwimmen.
Sie lagen eine Stunde auf dem Boden und warteten auf eine günstige Gelegenheit. Ihre nasse Kleidung vereiste allmählich; sie mußten sich bewegen. Dinger zögerte. Es hatte ihn bereits Anstrengung genug gekostet, so weit zu kommen, und er bezweifelte, daß er es schaffen würde, den breiten Fluß zu durchschwimmen. Legs drängte ihn. Sie wateten bis zur Hüfte ins Wasser und schwammen los. Der Fluß war 500 Meter breit, die Strömung ziemlich stark, und Dinger hatte schon bald Mühe, sich über Wasser zu halten.
»Wir schaffen es, Kumpel«, sagte Legs. »Wir schaffen es.«
Endlich berührte Dinger mit den Füßen den Grund. »Geschafft«, flüsterte er, während er ans Trockene wankte und sich instinktiv am Ufer weiterbewegte, um nach Feindaktivitäten Ausschau zu halten.
Als er wieder über den Fluß blickte, sah er, daß die Strömung sie etwa anderthalb Kilometer flußabwärts getrieben hatte. Er sah auch, daß Legs noch im Wasser war. Dinger lief zurück zum Ufer und zog ihn heraus. Legs konnte nicht mehr stehen.
Dinger hatte ungefähr zehn Meter vom Ufer entfernt ein kleines Pumpenhäuschen entdeckt. Er schleppte Legs dorthin und trug ihn hinein. Dinger war inzwischen selbst so müde, daß er zwei Stunden brauchte, um ihm
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