Die Männer von Bravo Two Zero
Schüsseln war eine heiße Flüssigkeit, die irgendwie nach Zwiebeln schmeckte. In dem Krug waren bestimmt zwei Liter Wasser, und es schmeckte besser als Champagner. Theoretisch sollte man sich Zeit lassen und nur kleine Schlucke trinken. In der Praxis, weil du dich nicht darauf verlassen kannst, daß die Scheißkerle nicht jeden Moment reinkommen und dir das Wasser wieder abnehmen, bist zu gezwungen, hastig zu trinken. Die große Gefahr dabei ist, daß du am Ende nur eine feuchte Kehle und einen geschwollenen Bauch hast.
Wir versuchten, uns zu entspannen. Wegen der Handschellen mußten wir auf dem Rücken liegen. Wir legten die Decke über uns, und ich starrte nach oben. Bald darauf meldete sich meine Nase. Dinger stank, und wie.
»Deine arme Frau«, sagte ich. »Wenn ich mir vorstelle, jede Nacht mit einem Stinker wie dir in einem Bett zu schlafen - als ob man neben einem Grizzlybären pennt.«
Ein oder zwei Minuten später packte mich ein gräßlicher Drang. Das mußte mit den Zwiebeln zusammenhängen.
»Dinger, Kumpel - ich muß mal Aa.«
Dinger richtete sich halb auf und streckte die Hand in die Luft, damit ich möglichst weit von ihm wegrücken konnte.
Ich mühte mich ab, die Hose runterzulassen, und achtete darauf, daß sich die Handschellen nicht zuzogen.
»Verdammt noch mal, beeil dich«, stöhnte er. »Ich möchte schlafen.«
Endlich saß ich in der Hocke und kackte, aber derart dünn, daß ich alles vollspritzte.
»Oh, verflucht«, sagte Dinger empört. »Ich wohne hier, würdest du so was auch bei dir zu Hause machen?«
Was konnte ich dafür? Es hörte einfach nicht mehr auf.
»Unmöglich. Ich hab’ schwer dafür arbeiten müssen. Du lädst jemanden zu dir ein, servierst ihm ein leckeres Abendessen, und was ist der Dank? Er scheißt dir den teuren Teppich voll.«
Ich mußte so lachen, daß ich nach hinten in die Schweinerei fiel, die ich angerichtet hatte, und mir blieb nichts anderes übrig, als meine Hose wieder hochzuziehen und mich hinzulegen. Es war alles andere als angenehm, doch ich hatte einen dreifachen Trost: Es war seine Zelle, nicht meine, ich hatte es an den Beinen warm, und er war als nächster an der Reihe.
Wir legten die Hälfte der Decke zur Isolierung unter uns, kuschelten uns ein und wärmten uns gegenseitig.
Während der Nacht hörten wir die Wachen kommen und gehen und Türen knallen. Jedesmal hatte ich Angst, sie kämen zu uns, doch sie gingen immer vorbei.
Einmal hörten wir, wie irgendwo eine Tür aufgetreten wurde, dann das gedämpfte Schreien und Rufen und Stöhnen und Wimmern von jemandem, der zusammengeschlagen wurde. Du strengst dein Gehör an, doch du bekommst nur Bruchstücke mit. So mitanzuhören, wie jemand Qualen erleidet, ist schrecklich. Du machst dir keine großen Gedanken darüber, wer derjenige ist. Du weißt es nicht, also ist es dir egal. Aber es ist ungeheuer demoralisierend, weil du so schutzlos bist und weißt, daß du als nächster dran sein könntest.
Wir hörten: »Frecher Junge. Steh! Böser Junge. Böser Junge.« Dann etwas, das so klang, als ob ein Teller heftig auf den Boden geschleudert wurde und auf den Beton schepperte.
Hatten sie vielleicht »Stan« gesagt? Wir versuchten angestrengt, noch mehr zu erlauschen, aber das Lärmen hörte auf. Zumindest wußten wir, daß noch jemand unser Schicksal teilte, auch wenn wir nicht wußten, ob es einer von uns war. Doch wer immer es auch war, er konnte eine Gefahr darstellen. Dinger und ich waren einigermaßen zufrieden, daß unsere Geschichten zusammenpaßten; jetzt kam noch jemand ins Spiel, jemand, mit dem wir nicht sprechen konnten, und das bedeutete, daß wir jeden Moment den Boden unter den Füßen verlieren konnten. Ich spürte, wie sich meine Freude in Luft auflöste. Mein einziger Trost war, daß Dinger und ich immer noch zusammen waren.
Plötzlich, als wäre es speziell zu meiner Beruhigung geschickt worden, hörte ich das tröstliche Geräusch von Bombern etwa zwei Kilometer entfernt am Himmel. Augenblicklich keimte Hoffnung in mir auf. Wenn wir getroffen wurden, ergab sich vielleicht die Chance zu fliehen.
Wir blieben den Rest der Nacht zusammen. Jedesmal, wenn wir Türen knallen hörten, dachten wir, sie kämen, um uns zu trennen, und verabschiedeten uns. Schließlich, irgendwann am Morgen, wurde unsere Tür aufgetreten. Man legte mir Handschellen an, verband mir die Augen und brachte mich weg.
Ich wußte, es ging wieder zum Verhör; ich kannte den Weg bereits. Zur Tür hinaus,
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