Die Männer von Bravo Two Zero
er auf einer Trage lag, völlig reglos. Dinger meinte, Legs sei tot. Wir hatten keine Ahnung, was mit Bob war. Dinger hatte gedacht, er wäre bei Mark und mir, und wir hatten gedacht, er wäre bei den anderen. Dinger hatte einen Teil von Bobs Ausrüstung gesehen, als wir nach Bagdad gebracht worden waren; ein Stück von seinem Tarnnetz war verkohlt. Das ließ nichts Gutes ahnen. Als ich unmittelbar nach meiner Gefangennahme verhört worden war, befand Dinger sich in einem anderen Raum zusammen mit unserer gesamten erbeuteten Ausrüstung.
»Sie hatten ein paar Waffen da. Die Burschen spielten mit einer 203 er herum, und ich habe geschrien, sie sollten sie nicht anrühren, weil noch eine Granate drin war. Zum Dank für meine Warnung bekam ich eins aufs Maul. Die Trottel drückten ab, und sie ging los.«
Zu Dingers Glück wird bei einer 40-mm-Granate erst nach etwa 20 Meter die Zündung aktiviert. Die Granate schlug gegen die Decke und fiel wieder zu Boden. Allah meinte es an dem Tag gut mit ihm: Wenn die Granate detoniert wäre, hätte es alle im Raum erwischt.
»Die sind völlig hysterisch geworden und haben ihre Wut natürlich an mir ausgelassen«, sagte er.
Wir amüsierten uns köstlich über die Sache mit der 203 er, zwangen uns aber, nicht laut loszulachen. Es tat so gut, wieder Dingers Stimme zu hören. Meine ganzen Probleme schienen von mir abzufallen.
»Der Hauptfeldwebel nahm einen Kompaß in die Hand, und der Trottel hatte keinen Schimmer, wie er damit umgehen sollte«, fuhr Dinger fort. »Er wußte, daß es ein Kompaß war, aber er wußte überhaupt nicht, wie man ihn benutzt. Er wollte sich vor seinen Leuten nicht blamieren, also hat er so getan, als wüßte er es. Ich fand es richtig lustig. Er hat das verdammte Ding falsch herum gehalten und versucht, es aufzumachen, und ich saß da, den Kopf gesenkt, und hab’ gegrinst und hatte Mühe, nicht loszuprusten. Sie haben irgendwelchen Kleinkram aus dem Gepäck geholt, Batterien zum Beispiel, und alles für Sprengstoff gehalten. Die haben anscheinend gedacht, ihnen würde alles um die Ohren fliegen.«
Dann wurden wir ernst und fragten uns, ob Stan und Vince noch am Leben waren. Ich hielt es für wahrscheinlich, daß Stan tot war. In der ersten Nacht unserer Flucht war er so gut wie erledigt gewesen, und ich konnte mir nicht vorstellen, daß sich seine Verfassung plötzlich gebessert hatte.
»Dieser Scheißkerl!« sagte ich. »Ich hab’ ihm noch meine Mütze gegeben.«
Es ärgerte mich wirklich, daß er noch meine Mütze hatte und sie nicht mehr brauchte, weil er tot war.
»Der Scheißkerl hat immer alle Sachen gekriegt«, sagte Dinger. »Ich wette, er hat sich bereits Gottes Anorak unter den Nagel gerissen.«
Wir waren nicht sicher, was aus Vince und Chris geworden war. Da wir annahmen, daß jeder, der noch am Leben war, jetzt bei uns wäre, gingen wir davon aus, daß sie, wie Bob, entweder noch auf der Flucht waren oder tot.
Die einzige Frage, auf die wir keine Antwort hatten, war, warum man uns zusammengelegt hatte. Was hatte das zu bedeuten? Daß sie unsere Geschichte glaubten? Daß sie hofften, wir würden anfangen zu plaudern und sie könnten uns abhören? Am Ende waren wir uns einig,
daß wir keine Zeit und Energie darauf verschwenden wollten, darüber nachzudenken, sondern es einfach genießen wollten, zusammen zu sein.
Das Lärmen des Türriegels am anderen Ende des Ganges sorgte schlagartig dafür, daß wir uns konzentrierten. Wieder hallten Schritte auf dem gefliesten Boden, der Schein von Gaslampen drang in die Zelle. Stiefel dröhnten gegen die Tür, um sie aufzubekommen. O Scheiße, o nein, dachte ich, jetzt werden sie uns wieder trennen.
Zwei Wachmänner kamen herein. Der erste brachte uns einen Krug Wasser, der zweite Wachmann trug zwei dampfende Schüsseln.
Die Decke, das Wasser, die Suppe - es war wie im Ritz. War das schön, vom Zimmerservice so verwöhnt zu werden. Ich überlegte, ob sie wohl so nett wären, mir eine Financial Times zu bringen.
Wir blickten zu ihnen hoch, die Decke um die Schultern, und grinsten wie zwei dankbare Flüchtlinge.
»Amerikaner?« fragten sie.
»Nein, Briten.«
»Tel Aviv?«
»Nein, Briten. England. London.«
»Ah, London. Fußball. Manchester United. Fußball. Gut.«
»Ja, Liverpool.«
»Ah, Liverpool. Bobby Moore! Gut.«
Wir wechselten kein Wort, bis sich die Tür krachend geschlossen hatte. Dann sah ich Dinger an, und einstimmig murmelten wir »Wichser!« und mußten lachen.
In den
Weitere Kostenlose Bücher