Die Männer von Bravo Two Zero
Körper nicht ausgleichen. Vielleicht bemerkt man nicht mal den Durst, weil zu viele andere Dinge vor sich gehen, die die gesamte
Aufmerksamkeit beanspruchen. Wenn man 5 Prozent des Körpergewichts durch Wasserverlust verliert, wird einem übel. Durch Erbrechen verliert man weitere kostbare Flüssigkeit. Die Bewegungen werden langsamer, das Sprechen wird undeutlich, und man kann nicht mehr richtig gehen. Dehydratation kann im Ernstfall tödlich verlaufen. Stan hatte seit Verlassen des Lagers seine Thermo-Unterwäsche getragen. Er mußte literweise Flüssigkeit ausgeschwitzt haben.
Ich begann zu zittern.
»Was sollen wir tun - ihn ausziehen?« fragte ich Chris.
»Nein, das ist ja alles, was er am Leib hat, abgesehen von der Hose, dem Hemd und dem Überzieher. Wenn wir ihn ausziehen, ist das schlechter für ihn.«
Stan stand auf und begann umherzugehen. Wir gaben ihm weitere zehn Minuten, sich wieder zu sammeln. Dann wurde es zu kalt, um länger stillzustehen, und wir mußten uns in Bewegung setzen.
Nun mußten wir unsere Planungen nach den beiden Langsamsten ausrichten. Ich änderte den Marschbefehl. Chris ging nun voran, Stan und Vince hinter ihm. Ich folgte ihnen, die anderen gingen hinter mir.
Chris als Vordermann hatte den Kompaß und die Nachtsichthilfe, um sicherzugehen, daß wir auf nichts Unangenehmes stießen. Nun hielten wir alle halbe Stunde an, statt jede Stunde. Jedesmal brachten wir Stan zum Trinken. Die Situation war nicht ausweglos, aber es schien ihm schlechter zu gehen.
Das Wetter war mittlerweile ekelhaft. Wir marschierten nicht mehr so schnell wie zuvor, weil die Kälte an unseren Kräften zehrte. Der Wind schnitt uns ins Gesicht, und wir gingen alle geduckt, um uns davor zu schützen.
Doch wir mußten weiter. Das Tempo wurde aber durch die beiden Verletzten an der Spitze diktiert. Bei einem Halt setzte Vince sich hin und umklammerte sein Bein.
»Es wird schlimmer, Jungs«, sagte er. Es war sehr untypisch für ihn, sich zu beklagen. Das verletzte Bein mußte höllisch schmerzen. Er entschuldigte sich für die Probleme, die er verursachte.
Jetzt hatten wir zwei Feinde - die Zeit und die körperliche Verfassung der beiden Verletzten. Wir anderen spürten inzwischen auch die Wirkungen dieses Nachtmarsches. Meine Füße und Beine schmerzten, und ich rief mir immer wieder in Erinnerung, daß wir für so was ja schließlich bezahlt wurden.
Über uns lag eine geschlossene Wolkendecke. Es war pechschwarz. Ich versuchte eine Orientierungspeilung, während die anderen mir den Rücken und die Flanken deckten. Chris hatte Probleme mit seinem Nachtsichtgerät, weil absolut kein Licht herrschte. Das machte uns nun ebenso zu schaffen wie die beiden Verletzten.
Der Wind schnitt eisig in die ungeschützten Körperpartien. Ich hielt meine Arme fest an den Körper gepreßt, um mich warm zu halten; den Kopf gesenkt, die Schultern nach vorn gebeugt. Wenn ich den Kopf bewegen mußte, drehte ich immer den ganzen Körper,
denn ich wollte nicht den leisesten Windzug am Hals.
Dann hörten wir aus Richtung Norden Flugzeuge. Ich konnte wegen der Wolkendecke absolut nichts sehen, aber eine Entscheidung mußte ich dennoch treffen. Sollte ich den TACBE einsetzen, um dann vielleicht festzustellen, daß es eine irakische Maschine war?
»Yeah, verflucht«, sagte Mark, der anscheinend meine Gedanken erraten hatte. »Versuchen wir’s?«
Ich legte Vince eine Hand auf die Schulter: »Wir halten an und versuchend mit dem TACBE.«
Er nickte und sagte: »Jawoll, okay, ja.«
Ich versuchte, eine meiner Gürteltaschen zu öffnen. Das war leichter gesagt als getan. Meine Hände waren starr vor Kälte und so taub, daß ich die Finger kaum biegen konnte. Mark fummelte nun ebenfalls daran herum, aber auch er konnte seine Finger nicht genügend krümmen, um die Klappe zu öffnen. Schließlich hatte ich irgendwie den TACBE in der Hand. Die letzten beiden Jets flogen gerade über uns hinweg.
»Hallo an alle. Hier ist Bravo Two Zero. Bravo Two Zero. Wir sind ein Bodentrupp und sitzen in der Scheiße. Over.«
Nichts. Ich versuchte es noch einmal. Und noch einmal.
»Hallo an alle. Hier ist Bravo Two Zero. Bravo Two Zero. Wir sind ein Bodentrupp und sitzen in der Scheiße. Wir haben eine Positionsmeldung. Over.«
Auch wenn nichts anderes dabei rauskam, als jemanden über unsere Position zu unterrichten, wäre es schon gut. Mark holte den Magellan heraus und drückte auf den Knopf, um Längen- und Breitengrad zu bestimmen.
In
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