Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Männer von Bravo Two Zero

Die Männer von Bravo Two Zero

Titel: Die Männer von Bravo Two Zero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andy McNab
Vom Netzwerk:
Zumindest schneite oder regnete es nicht mehr. Ich war zuversichtlich, daß wir es in einer letzten großen Kraftanstrengung schaffen würden.
    Es war 15 Uhr 30, als wir es hörten.
    Ding ding, bäh, bääh.
    Bloß das nicht, dachte ich.
    Ich suchte rasch das Gelände ab, konnte aber nichts entdecken. Wir legten uns flach auf die Erde. Es war kein Schreien oder Rufen zu hören wie beim letzten Mal, nur Gemecker und eine einsame Glocke. Es kam näher und näher. Ich blickte hoch und sah das Leittier der Ziegenherde mit einer Glocke um den Hals. Die anderen Ziegen schienen dem Bock überallhin zu folgen, denn sie gesellten sich nacheinander zu ihm. Bald darauf standen zehn von ihnen glotzend am Rand der Senke. Sie starrten uns an, und wir starrten sie an. Ich warf ein paar kleine Kieselsteine nach dem Leittier, um es zu verscheuchen.
    Statt dessen jedoch kam der Bock noch näher, und die übrigen Ziegen hinterdrein. Sie senkten den Kopf und begannen zu kauen, und wir fünf seufzten erleichtert auf. Doch zu früh. Einige Sekunden später tauchte der alte Ziegenhirte auf. Er war bestimmt 70, wenn nicht noch älter. Er trug einen weiten wollenen Kaftan und darüber eine ausgeleierte Strickjacke. Um den Kopf hatte er ein
    Tuch gewickelt, und eine schmuddelige Ledertasche hing an seiner Schulter. Er hielt eine Perlenschnur in den Händen und murmelte vor sich hin, während er die Holzperlen durch die Finger gleiten ließ.
    Er sah uns an und betete stur weiter. Keine Überraschung, keine Angst, rein gar nichts.
    Ich lächelte ihn an, wie es sich gehört.
    Wie selbstverständlich, als würde er jeden Tag fünf Fremde entdecken, die mitten in der Wüste in einer Bodensenke hocken, kauerte er sich neben uns und quasselte los. Ich hatte keinen Schimmer, was er da sagte.
    Wir begrüßten ihn: »As salaam alaikum.«
    Er erwiderte: »Wa alaikum as salaam.«
    Wir schüttelten ihm die Hand. Es war absurd. Er war so freundlich. Ich fragte mich, ob er überhaupt wußte, daß Krieg war. Im Nu waren wir die besten Freunde.
    Ich wollte das Gespräch in Gang halten, aber unser Arabisch reichte dazu nicht aus. Noch während ich es aussprach, konnte ich selbst kaum glauben, was ich da sagte.
    »Wayn al souk?« fragte ich.
    Wir waren irgendwo am Arsch der Welt, und ich wollte wissen, wo es zum Markt ging.
    Ohne mit der Wimper zu zucken, zeigte er nach Süden.
    »Na prima«, sagte Dinger. »Wenn wir mal wieder hier sind, wissen wir wenigstens, wo’s zu Woolworth geht.«
    Bob entdeckte eine Flasche in der Tasche des alten Knaben. »Halib?« fragte er.
    Der Ziegenhirte nickte. Ja, es war Milch, und er reichte die Flasche herum. Dann holte er ein paar übelriechende,
    matschige Datteln aus seinem Beutel und ein Stück trockenes Brot, und wir setzten uns und ließen uns bewirten.
    Mark blieb stehen und schaute sich hin und wieder um. »Er ist allein«, sagte er mit breitem Lächeln.
    Der Ziegenhirte zeigte wieder nach Süden und gestikulierte. »Jaysh«, sagte er, »jaysh.«
    Ich blickte Bob fragend an.
    »Armee«, übersetzte er. »Miliz.«
    Bob fragte: »Wayn? Wayn jaysh?«
    Der Alte zeigte in die Richtung, aus der wir gekommen waren.
    Wir verstanden nicht, was er meinte: Da hinten sind viele Soldaten. Oder: Da hinten sind viele Soldaten, und sie suchen euch. Oder: Gehört ihr zu den Jaysh-Soldaten da hinten? Keinem von uns fiel das arabische Wort für Entfernung ein. Wir versuchten, ihm mit Gesten »nah« und »fern« verständlich zu machen.
    Etwa eine halbe Stunde später kamen wir allmählich an den Punkt, an dem wir eine Entscheidung fällen mußten. Sollten wir ihn töten? Sollten wir ihn fesseln und so lange festhalten, bis wir weiterzogen? Oder sollten wir ihn einfach seiner Wege gehen lassen? Ihn zu töten, würde nur insofern etwas bringen, als dann niemand erfuhr, was los war. Aber wenn die Landschaft mit den Leichen von älteren Angehörigen der einheimischen Bevölkerung übersät wäre und wir geschnappt würden - womit wir nun mal rechnen mußten -, konnten wir kaum darauf hoffen, mit Samthandschuhen angefaßt zu werden. Wenn wir ihn fesselten, damit er keinen Unfug anrichten konnte, würde er in der Nacht erfrieren. Mit Sicherheit würde man seine Leiche finden, denn allem Anschein nach gab es in diesem Land keinen Quadratmeter, über den nicht irgendwann ein Hirte mit seiner Ziegenherde zog.
    Wenn wir ihn laufenließen, wem konnte er schon irgendwas erzählen, was für einen Schaden konnte er denn anrichten? Er hatte kein

Weitere Kostenlose Bücher