Die Maetresse des Kaisers
aus eigener Erfahrung wusste, dass der Kaiser die Annehmlichkeiten des muslimischen Lebens durchaus schätzte, war er sicher, dass der europäische Monarch für eine Schönheit wie Bianca schon entsprechende Verwendung finden würde. Und sei es als Geschenk für den Leibarzt.
D ie Glocken am Hospital der Johanniter weckten sie in den frühen Morgenstunden. Sie konnte sich nicht erinnern, sich jemals so auf einen Tag gefreut zu haben, und sie war sicher, dass selbst ihr Herz lächelte. Ihr Lager war nicht so luxuriös wie das in den Frauengemächern im Palast des Sultans, aber selbst wenn ihr der Kaiser angeboten hätte, auf dem nackten Boden zu schlafen, hätte sie sich wie auf weichen Gänsedaunen gebettet gefühlt.
Sie stützte den Kopf in eine Hand und nahm sich Zeit, den Raum, in dem sie geschlafen hatte, in Ruhe zu mustern. An der gegenüberliegenden Wand hing ein Kruzifix, der sichere Beweis, dass sie sich wieder in einem christlichen Heim befand. In der Mitte des Zimmers stand ein schmuckloser Tisch, dem man zwei Stühle beiseite gegeben hatte. Auf dem Tisch entdeckte sie eine Wasserschüssel sowie einen Krug mit Becher. Die Früchte, die in einer Schale lagen, ließen sie zurückblicken in den paradiesischen Garten des Harems, und Zamiras Vorliebe für Datteln und Trauben fiel ihr wieder ein.
Der Gedanke an Zamira ließ Bianca trotz aller Freude ein bisschen wehmütig werden, denn die beiden Frauen waren sich auf freundschaftliche Art näher und näher gekommen, und als der Sultan Biancas Abreise befohlen hatte, hatte Zamira zu weinen begonnen.
Bianca versuchte sich an ihre eigenen Gefühle in jenem Moment zu erinnern. Hatte sie Angst gehabt, als man ihr sagte, sie werde den Harem verlassen? Ein bisschen, vielleicht. Denn trotz der Unfreiheit, mit der sie sich nicht abfinden konnte, hatte ihr der Harem auch ein Stück Sicherheit geboten. Alles in allem hatte sie nicht zu hoffen gewagt, ihrem goldenen Gefängnis zu entkommen. Aber dass der Sultan sie ausgerechnet zu Kaiser Friedrich geschickt hatte, kam ihr vor wie ein Wunder des Himmels.
Sie hielt den Kaiser für einen Mann mit genügend Bildung und Herzenswärme, um einen anderen Menschen nicht als sein persönliches Geschenk und Eigentum zu sehen. Der Sultan hatte sich ihr gegenüber zwar immer höflich und voller Anstand gezeigt, aber andererseits war er ein Mann, der Sklavinnen kaufen ließ und Frauen an andere Herrscher verschenkte.
Sie fand es demütigend, in dieser Art über Menschen zu verfügen, aber genau genommen hatte ihr Bruder sich auch nicht anders verhalten. Den Gedanken an Manfred schüttelte sie schnell wieder ab. Heute, sagte sie sich, war ein glücklicher Morgen, und sie würde sich ihre Hochstimmung nicht nehmen lassen, indem sie ausgerechnet ihrem Bruder Platz in ihrem Kopf einräumte.
Bianca rief sich den gestrigen denkwürdigen Tag noch einmal ins Gedächtnis. Wie sie mit der Eskorte des Emirs Akkon erreicht hatte, immer noch unwissend, welches Schicksal der Sultan für sie vorgesehen hatte. Wie sie gemeinsam mit Fahr ed-Din die Residenz des Deutschen Ordens betreten hatte und wie sie urplötzlich dem Kaiser so nah gegenüberstand, dass sie nur ihre Hand ausstrecken musste, um ihn zu berühren. Den Leibarzt hatte sie nicht gleich wiedererkannt, zu viel war in dem Jahr seit ihrer Flucht aus dem Piemont passiert, zu viele Menschen, mitfühlende, gnadenlose, gleichgültige, hatten ihren Weg gekreuzt. Doch als der Sarazene ihren Namen genannt hatte, war es ihr wieder eingefallen – der Überfall auf sie und Lorenzo in der dunklen Gasse von Brindisi.
Ohne die Hilfe des kaiserlichen Leibarztes wäre ihre Flucht damals schon beendet gewesen. Karim hatte sie durch sein mutiges Eingreifen vor diesem unheimlichen Mann gerettet. Ein interessanter Mann, dieser Sarazene, dachte sie, beherrscht, überlegt, dabei von jener Ritterlichkeit, die nur ganz wenige Männer auszeichnete.
Es klopfte an der Tür, und eine Magd brachte ihr frisches Brot, stellte es auf den Tisch, verließ dann noch einmal die Kammer und kam mit einem herrlichen Kleid in strahlendem Weiß zurück. Es hatte ein enges Mieder und einen weiten, bauschigen Rock und ließ die Arme zum großen Teil unbedeckt.
»Ich werde Euch beim Ankleiden helfen«, sagte sie schüchtern in Biancas Sprache, »denn noch am Vormittag will Euch der Kaiser sehen.«
Bianca stand auf, streckte sich und lächelte das junge Mädchen an.
»Wie heißt du?«
»Ich bin Katarina und von nun an Eure
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