Die Maetresse des Kaisers
gesagt. »Es werden auch dort Narben zurückbleiben, aber du wirst sehen, dass Lorenzo früher oder später wieder am Leben teilnehmen wird.«
Bianca hoffte, dass sie recht behalten würde, denn sie konnte es kaum ertragen, sein stilles Leid zu sehen.
Sie schenkte einen Becher Zitronenwasser für ihn ein und schlenderte zu ihm und Konstanze hinüber. Lorenzo hatte der Kleinen eine Wiege gebaut und schaukelte das vor Vergnügen krähende Kind hin und her. Es war ein lauer, friedlicher Herbstabend, und als Bianca ihr Kind betrachtete, verspürte sie zum ersten Mal seit langem so etwas wie Glück.
Das kleine Mädchen hatte rötlich blondes Haar und Augen so blau wie Veilchen. Bianca fühlte stets einen Stich, wenn sie ihrer Tochter ins Gesicht blickte, denn die Ähnlichkeit mit Friedrich war nicht zu übersehen. Die Grübchen in den Wangen mussten ein Erbteil ihrer Mutter sein, denn wenn Bianca lachte, waren auch bei ihr noch Spuren davon zu erkennen. Den ausgeprägten Willen hatte Konstanze Biancas Meinung nach von Friedrich mit in die Wiege bekommen, doch Lorenzo ging jede Wette ein, dass die Mutter der Kleinen über ebenso viel Eigensinn und Starrköpfigkeit verfügte.
Bianca reichte Lorenzo den Saft und setzte sich zu ihm.
»Sie liebt es, wenn du sie schaukelst«, sagte sie mit einem zärtlichen Lächeln.
Lorenzo nickte, und der weiche Ausdruck in seinem Gesicht zeigte Bianca, dass auch er sich wohl fühlte.
»Ich habe vorhin die Glocke am Tor läuten hören. Haben die Schwestern Gäste erwartet?«, fragte sie beiläufig.
»In der Küche habe ich aufgeschnappt, dass zwei Männer angekommen sind. Vielleicht Ritter auf der Durchreise oder Beamte des Kaisers oder Steuereintreiber des Papstes. Auf jeden Fall waren sie den Schwestern unbekannt.«
Nach dieser für seine Verhältnisse langen Rede fiel Lorenzo wieder in Schweigen.
»Lorenzo«, begann Bianca, »es ist viel Zeit vergangen. Glaubst du, wir könnten wieder nach Hause?«
»Nach Hause?«
»Zurück ins Piemont.«
»Ich weiß nicht. Ist das wirklich noch unser Zuhause?«
»Aber wir brauchen eine Heimat.«
»Heimat ist da, wo wir leben.«
Bianca dachte darüber nach, kam sich aber trotzdem ohne Wurzeln und verloren vor. Wenn sie selbst auch wie eine Nomadin durch die Welt zog, so war sie doch verpflichtet, ihrem Kind ein Zuhause zu bieten, in dem es sicher und geborgen aufwachsen konnte. Vielleicht war es besser, Lorenzo nicht weiter zu beunruhigen und zunächst die Äbtissin um Rat zu fragen, wie sie sich ein neues Leben aufbauen könnte.
»Es ist spät, Lorenzo, lass uns hineingehen. Die Kleine muss gefüttert und gewickelt werden. Ach übrigens, hast du die beiden Männer eigentlich gesehen?«
»Nein, warum?«, fragte Lorenzo zurück.
»Nur ein Gedanke. Mach dir keine Sorgen.«
»Glaubt Ihr immer noch, dass Enzio Euch verfolgen lässt?«
»Nein, nein. Außerdem weiß niemand, dass ich hier bin.«
Sie nahm Konstanze auf den Arm und ging nachdenklich zu ihrem Raum im Gästetrakt des Klosters. Lorenzo hatte genug gelitten und musste zur Ruhe kommen, und so wollte sie ihn nicht weiter beunruhigen. Doch sie selbst verspürte eine unerklärliche Anspannung. Wusste wirklich niemand, dass sie ins Kloster der Ehrwürdigen Schwestern nach Bari geritten war? Möglicherweise hatte sie es selbst der Köchin erzählt. In der Aufregung um und nach Konstanzes Geburt hatte sie vielleicht mehr preisgegeben, als sie wollte. Und die Hebamme? Hatte sie in ihrer Gegenwart das Kloster erwähnt? Sie zermarterte sich den Kopf, konnte sich aber nicht mehr an Einzelheiten entsinnen. War es möglich, dass Heinrich von Passau ihren Aufenthaltsort von der Hebamme Sofia erfahren hatte? Doch je mehr sie nach Antworten forschte, desto weniger Klarheit fand sie.
Sei auf der Hut, sagte sie sich, sonst witterst du Unheil und Verfolgung selbst dort, wo es keine gibt, und wirst blind für die wirklichen Gefahren.
Sie überlegte, ob sie sich in den Speisesaal der Schwestern schleichen sollte, um mehr über die Männer herauszubekommen, verwarf diesen Gedanken dann aber wieder, denn erstens war es niemandem erlaubt, Räume zu betreten, die nur denen vorbehalten waren, die das Gelübde abgelegt hatten, und zweitens wollte sie die Nonnen nicht mit ihren Vorahnungen belasten. Sie nahm sich aber vor, sich nicht schlafen zu legen, sondern die Nacht lieber auf einem unbequemen Stuhl zu verbringen, um wachsam zu bleiben.
Sie stillte Konstanze und sang ihr ein Schlaflied vor. Wie immer
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