Die Maetresse des Kaisers
schlief die Kleine satt und zufrieden ein, und Bianca war dankbar, dass ihre Tochter zu den Säuglingen gehörte, die wenig schrien und meist friedlich in ihren Bettchen lagen.
»Träum etwas Schönes, Süße«, flüsterte sie dem Kind zu und bereitete sich auf unbequeme Stunden vor.
Sie ließ eine Kerze brennen und legte vorsichtshalber noch einige bereit, um nicht in der Dunkelheit nach einem Licht suchen zu müssen. Den Stuhl zog sie in eine Ecke des Zimmers, damit sie die Tür gut im Blick behalten konnte. Einen kleinen Schemel stellte sie innen vor die Tür. Falls sie doch eindösen sollte und jemand versuchte die Tür zu öffnen, würde der Holzschemel scheppernd umfallen und sie hoffentlich schnell genug erwachen, um den Eindringling in die Flucht zu schlagen.
Sie lauschte den Geräuschen der einbrechenden Nacht, und als auch der letzte Vogel sein Konzert beendet hatte, waren nur noch das Scharren der Nagetiere und das Rauschen der Bäume zu vernehmen.
Sie musste ihren Vorsichtsmaßnahmen zum Trotz kurz eingenickt sein, denn sie erwachte plötzlich mit schmerzendem Nacken und steifem Rücken.
Hatte sie etwas gehört? Oder hatte ihr Körper gegen den harten Holzstuhl rebelliert und sie deshalb aus dem Schlaf katapultiert? Sie setzte sich auf und streckte Arme und Beine, um sie beweglicher zu machen. Konstanze schmatzte leise im Schlaf, und die Liebe zu ihrem Kind schärfte Biancas Sinne.
Plötzlich hörte sie es – das Geräusch von schleichenden Schritten. Konnte eine der Schwestern nicht schlafen? Bianca vermochte nicht mit Sicherheit zu sagen, in welche Richtung sie sich bewegten. Sie hatte den Eindruck, dass sie sich eher entfernten, aber sie wollte nicht länger in diesem Raum wie in einer Mausefalle sitzen.
Aus einem unerklärlichen Impuls heraus nahm sie Konstanze aus der Wiege und wickelte das Kind in Windeseile in ein Tuch, das sie sich um den Leib band. So hatte sie die Hände frei und konnte ihr Kind dennoch sicher tragen. Nie wäre es ihr eingefallen, Konstanze allein und hilflos hier zurückzulassen, und eine Möglichkeit, sie zu verstecken, gab es zumindest in diesem Raum nicht.
Bianca hatte beschlossen, in die Kirche zu laufen und sich dort zu verbergen. Die Kirche war groß und bot genügend Nischen und andere Schlupflöcher. Sie blies die Kerze aus und lauschte gebannt. Nichts. Sie wartete, bis sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, und betete, dass Konstanze nicht erwachte. Dann zog sie den Schemel lautlos beiseite und öffnete die Tür einen winzigen Spalt. Sie hielt den Atem an und versuchte irgendein Geräusch ausfindig zu machen. Doch die Stille schien undurchdringlich.
Den Weg zur Kirche kannte sie gut, sie musste lediglich den Gang weiterlaufen, bis sie an eine Tür kam. Danach wandte sie sich nach rechts, durchquerte den Kreuzgang und konnte dann die Kirche durch den Seiteneingang betreten. Da die Schwestern keine Türen verschlossen und bis auf das Haupttor auch keine einzige über einen Schlüssel verfügte, wusste Bianca, dass sie auf dem Weg zur Kirche keine Hindernisse erwarten würden.
Sie vergewisserte sich noch einmal, dass das Bindetuch mit dem Kind fest saß, hob ihren Rock, damit sie nicht über den Saum stolperte, und schlich vorwärts. Es war so dunkel, dass sie Mühe hatte, die Umrisse des Ganges auszumachen. Sie und Konstanze waren die Einzigen, die in den Gästeräumen auf dieser Seite des Klosters schliefen, so dass sie es sich sparen konnte, an die Türen zu klopfen, an denen sie vorbeihuschte.
Lorenzo war auf der entgegengesetzten Seite untergebracht. Wahrscheinlich wälzte er sich getrieben von grauenvollen Träumen von einer Seite auf die andere, ohne zu ahnen, dass sie vor einem realen Schrecken davonlief.
Sie erreichte die erste Tür ohne Zwischenfall und öffnete sie leise. Auch dahinter lag alles in tiefer Dunkelheit und Stille. Sie ging nach rechts auf den offenen Kreuzgang zu, dem das Mondlicht ein bisschen Helligkeit schenkte.
Bevor sie den Kreuzgang betrat, spähte sie in den kleinen Hof, den der Gang umschloss. Sie glaubte ein Rascheln zu hören, aber dann sah sie eine Maus dicht am Mauerwerk entlanglaufen und war beruhigt. Hier war niemand.
Nur noch eine kurze Strecke bis zur Kirche, und sie hatte es geschafft. So schnell es die schlechte Sicht und der unebene Boden zuließen, durchquerte sie den Kreuzgang und lief auf die Seitentür der Kirche zu. Sie spürte, dass sie die ganze Zeit über die Luft angehalten hatte, und atmete
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