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Die Maetresse des Kaisers

Die Maetresse des Kaisers

Titel: Die Maetresse des Kaisers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Stein
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andere?«, flüsterte die Äbtissin.
    »Ich vermute, in der Kirche. Ich werde nachsehen.«
    »Nein, Lorenzo. Ihr bleibt hier und passt auf Bianca auf. Ich gehe zurück und hole Hilfe.«
    Der Mann ging vor den Fenstern der Gästekammern auf und ab und verhielt sich nicht einmal besonders leise.
    Wollte er, dass Bianca ihn hörte? Lorenzo entschied, dass es besser war, Bianca zu warnen, als weiter untätig herumzustehen. Er ging vorsichtig zurück bis zur nächsten Ecke und schlüpfte dann durch eines der Fenster im Küchentrakt ins Haus. Hier war es heiß, weil die Schwestern, die in der Küche arbeiteten, das Feuer nie ausgehen ließen, und Lorenzo sah eine von ihnen mit einem schweren Wasserkübel hantieren.
    »Hilf mir«, flüsterte sie. »Wir bringen den Kübel aufs Dach.«
    Gemeinsam wuchteten sie das heiße Wasser nach oben.
    »Es wird abkühlen«, sagte Lorenzo.
    »Nein. Ich gieße siedendes Öl nach.«
    Lorenzo schauderte und ließ die Schwester allein. Er lief zurück in die Küche, suchte sich einen Kienspan, um in dem dunklen Gebäude besser sehen zu können, fand den Gang, der zu den Gästeräumen führte, und näherte sich vorsichtig der Tür, hinter der Bianca schlief. Die Tür war nur angelehnt. Lorenzo öffnete sie und leuchtete mit dem Kienspan in den Raum.
    Er war leer. Also hatte Bianca den Mann gehört und war mit dem Kind in die andere Richtung geflohen. Er wusste, der Gang führte bis zur Kirche, und vermutete, dass Bianca dort nach einem Versteck suchen würde. Wenn der andere Mann aber in der Kirche wartete, dann lief sie in eine Falle.
    Lorenzo rannte in dem Licht des glühenden Kienspans, so schnell er konnte, zum Kircheneingang. Als er die Tür aufriss, hörte er Fetzen eines Gesprächs, dann schnelle Schritte, und bis er den Altar erreicht hatte, waren sowohl Bianca als auch ihr Verfolger hinter der Tür verschwunden, die zur Wendeltreppe führte.
    Durch die große Eingangstür kam die Äbtissin gerannt und rief Lorenzo zu, er solle zurücklaufen und der Schwester weiter beim Füllen des Wasserkübels helfen, sie selbst werde die Glocken läuten und damit alle Schwestern aufwecken.
    Doch Lorenzo schüttelte den Kopf, und gleichzeitig stürzten sie durch die Tür zum Glockenturm. Lorenzo rannte außer Atem die Treppe hinauf, die Äbtissin ergriff die Seile und brachte die Glocken zum Schwingen. Lorenzo hörte den Anschlag des Bronzeklöppels, die aufgeregte Stimme einer Frau, das Weinen eines Kindes und dann, kurz hintereinander, zwei grauenvolle Schreie.
    Als er das Ende der Treppe erreichte, stand Bianca am Rand der Plattform, hielt ihr Kind fest im Arm und sah nach unten in den Hof. Er trat neben sie und führte sie sanft zurück zur Treppe.
    »Die Glocken haben plötzlich geläutet«, stammelte sie.
    »Ich weiß«, sagte Lorenzo. »Die Äbtissin ist eine mutige Frau.«
    »Und wer hat so entsetzlich geschrien?«
    »Ich fürchte, der Kübel ist vom Dach gefallen und hat den anderen Mann getroffen.«
    »Welcher Kübel?«
    »Fragt lieber nicht, aber die Ehrwürdigen Schwestern verstehen sich zu wehren.«
    Das Glockengeläut hatte die übrigen Nonnen geweckt, und als Lorenzo und Bianca den Hof betraten, brachten die Schwestern Fackeln und Öllampen.
    Bianca hatte recht gehabt, Heinrich von Passau lebte nicht mehr. Wie es aussah, hatte er einen schnellen und schmerzlosen Tod gehabt, was man von Heinrichs Begleiter nicht behaupten konnte. Der Mann, der unter seinem Umhang vollkommen schwarz gekleidet war, war vom siedend heißen Inhalt des Kübels getroffen worden.
    Lorenzo nahm die vor Schreck bebende Bianca in den Arm.
    »Es ist vorbei«, sagte er.

W enn der Kaiser ein Fest gab, war alles geladen, was Rang und Namen hatte. Fürsten, Grafen und Barone kamen zusammen, und manchmal sogar Könige. Die Kirche schickte Erzbischöfe und Bischöfe, Priester und Vertreter der Orden, und zuweilen wurde sogar Seine Heiligkeit der Papst erwartet.
    Eine ganze Stadt, ja, eine ganze Region befand sich in einem Zustand, der mit nichts zu vergleichen war, und die Städter und Bauern ächzten unter der Last der Abgaben, denn es gehörte zu ihren Aufgaben, den Hofstaat und dessen Gäste zu ernähren.
    Der Kaiser war nach Ravenna geritten, und ein Gefolge von zweitausend Menschen hatte ihn begleitet. Da jeder mindestens ein Pferd, die meisten aber mehrere mit sich führten, kam der Tross auf über viertausend Pferde, dazu Jagdhunde, Falken und ein Teil der exotischen Menagerie des Kaisers, bestehend aus

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