Die Maetresse des Kaisers
in ihrem Leben, dass sie das Gefühl bekam, dass andere Länder der christlichen Welt zumindest gleichwertig waren, wenn nicht sogar überlegen. Schon in Damiette hatte sie gesehen, dass die Baumeister Ägyptens lange vor den Architekten Europas Paläste und Grabmäler erschaffen hatten, die in ihrer Heimat mit nichts vergleichbar waren. Die arabische Schrift erschien Bianca so schön wie kunstvolle Miniaturen, und das Geschick der Ägypter, einen Garten anzulegen, entzückte sie.
Sie zwinkerte Zamira zu. »Die Männer des Abendlandes sind eben nicht so anspruchsvoll wie dein Sultan.«
Zamira kicherte. »Kein Wunder, dass euer Kaiser einen Harem hat.«
Bianca sah zu Boden, denn die Erwähnung des Kaisers beschwor Erinnerungen, die sie lieber in den Tiefen ihres Gedächtnisses verborgen hätte.
»Der Kaiser ist tot, heißt es.«
Zamira riss die Augen auf. »Tot? Aber nein. Al-Kamil sagt, der Kaiser sei auf dem Weg nach Palästina.«
Bianca runzelte die Stirn. »Bist du sicher?«
»Ja doch. Was glaubst du, warum al-Kamils Neffe heute aus Damaskus eintrifft? Es riecht schon wieder nach Krieg.«
»Zamira, ich habe selbst gesehen, wie das Schiff des Kaisers zurückgesegelt ist. Alle dachten, dass er am Fieber gestorben war.«
Zamira musterte Bianca mit dem erfahrenen Blick einer Frau, die alle Kniffe der Liebe kennt. »Du sorgst dich um ihn. Bist du in ihn verliebt?«
»Unsinn. Ich kenne ihn gar nicht.«
Doch so schnell gab Zamira nicht auf. »Aber du warst bestürzt, als du glaubtest, er habe das Fieber nicht überlebt. Das heißt, er bedeutet dir etwas.«
»Er hat in Brindisi zu den Rittern und den Bürgern der Stadt gesprochen. Du hättest ihn sehen sollen, Zamira. Ich muss die ganze Zeit daran denken.«
»Ich weiß so wenig von dir. Erzähl mir von deinem Leben.«
»Ich habe kein Leben mehr. Ich bin eine Sklavin.«
»Du bist undankbar, Bianca. Es geht dir doch gut.«
»Ich habe zu essen und zu trinken, ich bade jeden Tag und schminke meine Augen. Ich kann mit dir plaudern, und ich bediene die Odalisken. Aber ich kann die Gemächer der Frauen nicht verlassen.«
»Das kann niemand von uns.«
»Und könnt ihr damit leben? Kannst du so leben, Zamira?«
Zamiras Antwort kam ohne Zögern. »Ich wünsche es mir nicht anders, Bianca. Die Welt da draußen ist gefährlich für eine Frau.«
»Wem sagst du das, Zamira. Aber die Welt hier drinnen ist nichts als ein goldener Käfig.«
»Hast du Sehnsucht nach deiner Heimat?«
»Ein bisschen. Aber Sehnsucht ist ein Gefühl, das einem die Kraft zum Weitergehen nimmt.«
»Oder dich beflügelt«, sagte Zamira und fügte angesichts Biancas fragendem Blick hinzu: »Wenn du auf dem Weg zu deinem Geliebten bist, zum Beispiel.«
»So, wie es aussieht, werde ich mich wohl kaum mehr auf den Weg machen können.«
»Wer weiß. Die Liebe findet immer einen Weg.«
»Liebe ist ein Kind der Freiheit.«
»Schau mich an«, sagte Zamira lachend. »Ich bin glücklich hier, auch wenn ich gern mal einen Blick in eure Welt werfen würde.«
Bianca gab es auf, weiter mit Zamira zu debattieren. Sie war dankbar, in Zamira eine geduldige Lehrerin des Arabischen gefunden zu haben, und schätzte die Gespräche mit ihr, selbst wenn die beiden Frauen meist unterschiedlicher Meinung waren. Aber immerhin fühlte sie sich nicht mehr so einsam, und vielleicht wurden sie und Zamira irgendwann sogar noch Freundinnen.
»Was weißt du über den heutigen Abend?«, fragte Bianca, um das Thema zu wechseln.
»Die Männer werden lange über die möglichen Pläne des Kaisers sprechen«, spekulierte Zamira, »und dann, wenn sie keine Lust mehr auf Politik haben, zu uns kommen. Ich wette, der Sultan hat seinem Neffen die schönste der Odalisken versprochen.«
»Glaubst du …«, begann Bianca zaghaft.
»Nein, ich glaube nicht«, unterbrach sie Zamira. »Mach dir keine Sorgen. Du bist eine Sklavin und für den Geschmack eines arabischen Mannes immer noch ein bisschen zu mager.«
Bianca wirkte erleichtert.
»Oder soll ich für dich ein gutes Wort einlegen?«, neckte sie Zamira. »Al-Kamils Neffe ist jung und hübsch.« Und mit einem Augenblinzeln fügte sie hinzu: »Erst einundzwanzig.«
Bianca schüttelte den Kopf und überprüfte mit einem kritischen Blick ein letztes Mal ihren Lidstrich. »Ich verzichte. Höchste Zeit, dass ich den Odalisken beim Schminken helfe. Ihre Hände müssen noch bemalt werden.«
»Schick Azoula zu mir«, rief ihr Zamira nach, als Bianca die Baderäume verließ.
Doch
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