Die Maetresse des Kaisers
würde ebenso einsam sterben. Er zog die Seidendecke über dem zarten Körper der Kaiserin ein wenig fester und setzte sich auf einen Stuhl, um zu warten.
Er hoffte inständig, dass Friedrich so schnell wie möglich nach Andria aufbrechen würde, schon um den Konflikt mit seinem Schwiegervater, Johann von Brienne, nicht weiter zu schüren. Der hatte sich längst auf die Seite des Papstes geschlagen und gehörte, menschlich und politisch, zu den schärfsten und gefährlichsten Kritikern des Kaisers. Isabellas Tod würde die Beziehung zwischen den beiden Männern endgültig in Feindschaft verwandeln, denn Johann hatte immer wieder darüber geklagt, dass der Kaiser seine Frau, Johanns Tochter, nicht so behandelte, wie es ihr zustand.
Johann würde Friedrich mit Sicherheit eine Mitschuld an Isabellas Tod geben, auch wenn dies nicht der Vernunft und schon gar nicht der Wahrheit entsprach. Aber es blieb immerhin eine Tatsache, dass sie bei der Geburt von Friedrichs Sohn verblutet war. Seltsam, dachte Karim, wie sich das Schicksal gegen den Kaiser verschwört. Erst scheitert der Kreuzzug, dann stößt ihn der Papst aus der christlichen Kirche aus, und nun stirbt seine Frau bei der Geburt ihres ersten Kindes.
Karim erinnerte sich an die Zeiten, als er und sein Freund Federico durch die Straßen von Palermo gezogen waren – es waren unbeschwerte Jahre gewesen, die längst der schwierigen Zeit des Erwachsenenalters gewichen waren. Es ist schon ganz gut, dachte er, dass Kinder nicht wissen, was später auf sie zukommen wird. Und dass niemand seine eigene Zukunft kennt.
Wäre Federico lieber ein einfacher Ritter, ein Mann der Wissenschaft oder ein nicht sehr begütertes Mitglied einer einstigen Herrschaftsfamilie geworden? Oder war er glücklich so, wie er lebte? Als enger Vertrauter des Kaisers wusste Karim, dass Friedrich seine zweite Frau nicht geliebt hatte. Hatte er sie respektiert? Er hoffte es für Isabella, die in den sechzehn Jahren ihres kurzen Lebens nicht viel Glück gefunden hatte und sich nun ebenso einsam, wie sie gelebt hatte, auf den Weg zu ihrem Schöpfer machte.
Wie er Friedrich kannte, würde er nicht viel Zeit zum Trauern finden, denn die Regierungsgeschäfte ließen sich kaum aufschieben. Und die immer wieder geplante Abreise ins Heilige Land sollte ohnehin so schnell wie möglich stattfinden. Isabellas Tod würde auch dies nochmals verzögern.
Als Matilda mit einigen Frauen und einem Priester in Isabellas Sterbezimmer trat, zog sich Karim taktvoll zurück. Er hörte unterdrücktes Schluchzen, als er die Holztür leise schloss, und die Gebete des Geistlichen. Karim brauchte frische Luft und stellte sich an eines der Fenster, die den Blick auf das Grün des Frühlings freigaben.
Zehn Stunden später traf der Kaiser in Andria ein. Zu spät.
Isabella war, ohne noch einmal die Augen aufzuschlagen oder ihr Kind in den Arm nehmen zu können, gestorben.
»Hat sie sehr leiden müssen?« Friedrich hatte am Bett seiner Frau ein letztes Gebet gesprochen und ihr Gesicht anschießend mit einer seidenen Decke verdeckt.
»Bei der Geburt ja«, gab Karim zu. »Später war sie zu schwach, um noch Schmerzen zu spüren.«
»Und nicht einmal Ihr konntet ihr helfen?«, fragte Friedrich.
»Nein. Nicht einmal Gott konnte ihr helfen.«
»Arme kleine Isabella. Die Ehe hat ihr kein Glück gebracht.« Friedrich dachte einen Moment nach. »Sie soll hier in Andria bestattet werden.«
»In Andria?«, fragte Karim erstaunt. »Nicht in Palermo neben Eurer ersten Gemahlin Konstanze?«
»Nein. Palermo ist weit, und Isabella soll endlich Ruhe finden. Ich ordne ein feierliches Begräbnis hier im Dom an.« Friedrich hatte eben zu Ende gesprochen, als sie den Lärm einer eintreffenden Reitergruppe hörten. Laute Rufe drangen aus dem Hof herauf in den ersten Stock, und er sah Karim mit einem vielsagenden Blick an. »Mein Schwiegervater ist eingetroffen. Tut mir den Gefallen und begleitet mich. Der Kummer über Isabellas Tod wird ihn hart und bitter machen.«
Karim folgte dem Kaiser mit einer Mischung aus böser Vorahnung und der halbherzigen Hoffnung, Johann von Brienne werde den Tod seiner Tochter nicht zum Anlass nehmen, ausgerechnet heute einen Streit mit seinem Schwiegersohn vom Zaun zu brechen. Doch Karim, der sein eigenes Handeln meist nach den Regeln der Vernunft ausrichtete, musste überrascht mit ansehen, wie sehr andere Menschen sich von ihren Gefühlen blenden lassen konnten.
Johann von Brienne ging ohne Vorwarnung
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