Die Maetresse des Kaisers
verlassen, ohne ihn gesehen zu haben.«
Johann wurde blass. »Wie Ihr befehlt«, erwiderte er mit äußerster Beherrschung. »Aber Gott weiß, ein würdiger König von Jerusalem seid Ihr nicht. Und Ihr werdet das Heilige Land nicht befreien.«
Karim folgte Friedrich, der mit schnellen Schritten davonging. Doch beide konnten hören, was Johann von Brienne seinem Schwiegersohn nachrief.
»Das Volk wird Euch verfluchen, König von Jerusalem.«
D as Pulver hatte eine schwarzgraue Färbung, und Bianca tauchte vorsichtig den Zeigefinger hinein, um die dunklen Linien um ihre Augen zu malen, die den Blick umschatteten und ihn ebenso ausdrucks- wie geheimnisvoll machten. Sie konnte inzwischen genügend Arabisch, um zu wissen, dass der Name des Pulvers »itmid« lautete und die Griechinnen es »stibium« nannten.
Obwohl sie nun schon fast ein halbes Jahr im Harem des Sultans al-Kamil lebte, waren ihr die Schönheitsrituale der Frauen noch immer fremd. Sie genoss die ausgiebigen Bäder und die Essenzen, die ihr Haar wunderbar weich werden ließen, scheiterte aber regelmäßig an den Schminktechniken, die die anderen Haremsfrauen perfekt beherrschten.
Meist musste sie die dunklen Linien um ihre Lider mehrfach mit Fett entfernen, bis es ihr endlich gelungen war, einen Bogen zu ziehen, der – weder zu breit noch zu schmal – die natürliche Schönheit ihrer Augen unterstrich. Auch die schmerzhafte Prozedur, mit Hilfe von heißem Wachs gewissenhaft jedes Härchen, das nicht auf ihrem Kopf wuchs, zu entfernen, hatte sie vorher nicht gekannt. Am Anfang hatte sie überrascht aufgeschrien, als die Haare auf ihren Schienbeinen zusammen mit der Wachsplatte mit einem kräftigen Ruck herausgerissen wurden. Und sie war vor Scham errötet und hatte sich zunächst heftig gesträubt, als weit intimere Teile ihres Körpers von jeglichen Härchen befreit wurden. Inzwischen hatte sie sich jedoch daran gewöhnt, für die Schönheit entsprechend zu leiden.
Heute war allerdings ein besonderer Tag, und den Frauen war aufgetragen worden, noch mehr Wert auf ihr Aussehen zu legen als sonst. Der Sultan erwartete Besuch aus Damaskus. Sein Neffe, der nach dem Tod des Sultans al-Muazzam die Regentschaft übernommen hatte, würde mit großem Gefolge anreisen, um die politische Gemengelage in Europa zu besprechen und eine Strategie zu entwickeln, sollte Kaiser Friedrich tatsächlich zu einem erneuten Kreuzzug aufbrechen.
Zamira, die über die politischen Absichten des Sultans zuweilen besser informiert war als seine Hofstrategen, verließ das Badehaus, in dem sie den ganzen Vormittag zugebracht hatte, und setzte sich zu Bianca, um ihr beim Schminken zuzusehen.
Die beiden Frauen waren zwar keine Freundinnen geworden, aber auch nicht verfeindet, wie Bianca zunächst befürchtet hatte. Zamiras Eifersucht, Bianca könne sie in der Gunst des Sultans verdrängen, hatte sich gelegt, als sie spürte, dass al-Kamil nicht die geringste Absicht hegte, die blonde Frau in sein Bett zu holen.
Die Favoritin lächelte, als sie sah, wie sich Bianca mit dem dunklen Pulver abmühte und den Lidstrich immer wieder erneuern musste.
»Du hast es immer noch nicht gelernt, nicht wahr?«
Bianca seufzte. »Den Frauen in meiner Heimat sind die Schönheitsideale des Orients unbekannt.«
»Aber«, fragte Zamira verwundert, »schmücken sich eure Frauen denn nicht für den Mann, den sie lieben?«
»Doch, aber nicht mit derselben Akribie wie ihr.«
»Wie meinst du das?«
»Schau, Zamira, in meiner Heimat leben Frauen nicht in einem Harem. Das heißt, sie haben den ganzen Tag viele Pflichten und Aufgaben, die sie erledigen müssen. Für die Schönheit haben sie längst nicht so viel Zeit wie ihr.«
»Dann ist ihr Körper also nicht gesalbt, ihr Haar nicht geölt?«
»Meistens nicht, nein.«
»Und sie haben Haare an den Beinen?«
»Meistens ja.«
»Wie finden sie dann einen Mann?«
»Ihre Familie findet einen für sie.«
»Und der nimmt sie einfach so? Egal, wie sie aussehen?«
Bianca musste lachen. In Zamiras Vorstellung entstammte sie offensichtlich einem barbarischen Land, das die einfachsten Regeln der Hygiene missachtete und die Schönheit nicht schätzte.
Als Ägypterin war Zamira stolz auf die jahrtausendealte Kultur ihres Volkes. Sie hatte Bianca von den großen Königinnen ihres Landes, Nofretete und später Kleopatra, erzählt, und Bianca hatte begierig alles über diese Frauen, von denen sie nie zuvor gehört hatte, wissen wollen. Es war das erste Mal
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