Die Maetresse des Kaisers
hatte deshalb schon am Abend zuvor die nötigen Dinge gepackt, die er für eine Reise quer über die Insel brauchen würde, und war am frühen Morgen aufgebrochen. Er ritt in gemächlichem Tempo die Küste entlang Richtung Nordosten, um das Gebirge zu umgehen, das die Insel von Westen nach Osten durchzog.
Seine Gedanken schweiften erneut zu Kaiser Friedrich und dem, wenn man die Umstände betrachtete, doch recht wagemutigen Kreuzzug. Heinrich war sich fast sicher, dass der Kaiser bei dieser Gelegenheit auch seine politischen Ansprüche auf Zypern betonen würde, denn genau genommen war das Königreich Zypern ein kaiserliches Lehen. Und das bedeutete unter anderem, dass Friedrich eine Menge Geld fordern konnte. Was dem Alten von Beirut, wie Johann von Ibelin genannt wurde, gar nicht passen dürfte.
Mitgefühl war eine unbekannte Empfindung für den Deutschen, und so verschwendete er auch keinen weiteren Gedanken auf die Situation seiner Gastgeber. Pech für die Ibelins, dachte er, die sich vielleicht ein bisschen zu sehr darauf verlassen hatten, dass der Kaiser durch seinen Konflikt mit Papst Gregor Zypern aus dem Blick verlieren würde.
Wieder einmal schätzte er sich glücklich, dass er weder familiäre noch dynastische Pflichten zu erfüllen hatte und vollkommen unabhängig durch die Welt reisen konnte. Er schloss sich dem Herrn an, von dem er sich die meisten Vorteile versprach, und war für jeden intriganten Winkelzug zu haben. Enzio Pucci hatte viele Reichtümer, aber auch viele Probleme, und für einen Mann wie Heinrich lohnte es sich durchaus, mit Enzio befreundet zu sein. Wobei er das Wort Freundschaft nach seinem Geschmack auslegte. Loyalität gehörte für ihn nur dann dazu, wenn auch der Preis stimmte.
Je weiter er sich von der Küste entfernte, desto einsamer und kahler wurde die Gegend. Hier gab es keine quirligen Städte wie Limassol, sondern allenfalls kleine Ansiedlungen, manchmal auch nur einzelne Gehöfte.
Er fragte sich, ob es eine kluge Entscheidung war, den weiten Weg nach Nikosia allein zu reiten, als er mehrere Hilferufe hörte. Noch konnte er nichts Ungewöhnliches entdecken, aber nach kurzer Strecke sah er am Wegrand ein Pferd ohne Reiter. Er ritt vorsichtig näher, saß ab, sprach beruhigend auf das Pferd ein und ergriff die Zügel. Er band beide Pferde an einem Baum fest und blickte sich suchend um. Heinrich vermutete, dass es sich um einen Unfall handelte, denn nichts deutete darauf hin, dass hier ein Verbrechen geschehen war. Irgendwo musste der Reiter sein, hatte er doch eben noch um Hilfe gerufen, aber die Straße war leer. Er ging ein paar Schritte auf und ab, spähte jedoch vergeblich nach dem Reiter. Sollte er den Besitzer des Pferdes nicht entdecken, so wären das Tier und dessen Gepäck sein Eigentum. Kein schlechtes Geschäft, dachte Heinrich und beschloss, die Suche für beendet zu erklären.
Aber kaum hatte er entschieden, wieder aufzusitzen und weiterzuziehen, hörte er ein unterdrücktes Stöhnen im dichten Gestrüpp neben der Straße. Er war sich einen Moment unschlüssig, doch dann siegte die Neugier, und er bahnte sich seinen Weg durch die trockene Macchia. Nach wenigen Schritten stieß er auf einen am Boden liegenden Ritter, unter dessen Körper sich eine Blutlache gebildet hatte. Er trat näher und entdeckte eine tiefe Stichwunde an der linken Seite. Der Mann stöhnte und versuchte mit seiner Hand das Blut zu stillen. Heinrich lief zurück zum Pferd des Ritters, zog ein Hemd aus dessen Gepäcksack, riss es entzwei und machte einen provisorischen Verband daraus.
»Was ist passiert?«, fragte er den Verletzten.
Der Mann antwortete in einer anderen Sprache, und Heinrich erkannte, dass es sich um Englisch handelte. Für eine rudimentäre Unterhaltung waren seine Sprachkenntnisse ausreichend, und Heinrich brauchte nicht lange, um zu erfahren, dass der Ritter von Wegelagerern überfallen worden war. Ursprünglich seien sie zu dritt gewesen, doch die beiden anderen seien vorausgeritten.
»Könnt Ihr reiten?«
Der Engländer nickte und versuchte mit schmerzverzerrtem Gesicht auf die Beine zu kommen.
»Es ist besser, wenn wir ein Stück Weg zusammenbleiben«, erklärte Heinrich von Passau. »Möglicherweise treffen wir auf Eure beiden Begleiter, die sich dann um Euch kümmern können.«
Er selbst hatte nicht die Absicht, einen Mann mit einer tiefen Stichwunde länger als notwendig zu versorgen. Und als letzte Möglichkeit blieb immer noch, den Ritter in der Obhut eines
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