Die Mafia - 100 Fragen 100 Antworten - FAQ Frequently Asked Questions MAFIA
des Mafiaaussteigers und Kronzeugen Antonino Calderone basierten, in rund zwanzig Einzelverfahren auf, mit denen er die jeweils zuständigen Staatsanwaltschaften beauftragte.
Mit einem Federstrich und einem Rundschreiben würgte er die Ermittlungen ab und warf den gerichtlichen Kampf gegen die Mafia um zwanzig Jahre zurück.
Die Ermittler des Antimafia-Pools drohten mit Rücktritt. Paolo Borsellino, Falcones Freund und Mitstreiter, der inzwischen Leitender Oberstaatsanwalt von Marsala geworden war, beklagte in einem Interview mit den Tageszeitungen
La Repubblica
und
L’Unità
»das Ende des Kampfes gegen die Mafia« und wurde vom Obersten Richterrat dafür zur Rede gestellt. Jetzt, im Sommer 1988, begann der »Fall Palermo«, die erste einer ganzen Reihe politisch-juristischer Affären, in deren Mittelpunkt stets Giovanni Falcone und seine Ermittlungen zur Cosa Nostra standen.
Nach Antonino Melis Ernennung schloss sich für Falcone noch eine Tür: die des Hochkommissariats zur Bekämpfung der Mafia. Die Stelle des Hochkommissars bekam Domenico Sica, ein Staatsanwalt aus Rom, der ohne viel Erfolg zu allen ungelösten Rätseln Italiens ermittelte und so gut wie keine Ahnung von der Mafia, ihren Strukturen und ihrer Funktionsweise hatte. Für Falcone begann jetzt eine dramatische Phase mit noch heftigeren Anfeindungen.
Im ländlichen Bagheria, nur wenige Kilometer von Palermo entfernt, wurde am 26. Mai 1989 Salvatore Contorno festgenommen. Der ehemalige Mafioso und Kronzeuge der Justiz war nach Sizilien zurückgekehrt, um sich an den Mafiosi zu rächen, die mehrere seiner Familienangehörigen ermordet hatten. Irgendjemand benutzte Contorno, um Falcone zu schaden. Ein anonymer Briefschreiber (als
Il Corvo
, der Rabe, bekannt geworden)behauptete, Untersuchungsrichter Falcone und die Führung der Polizei hätten Salvatore Contorno nach Sizilien eingeschleust und zu einem »Killer im Auftrag des Staates« gemacht.
Der
Corvo
war gut informiert, er kannte viele Details der Geschichte. Nach wenigen Wochen konzentrierte sich der Verdacht auf den Staatsanwalt Alberto Di Pisa, der sich mit einem Angriff auf Falcone zu verteidigen suchte. Er behauptete, er habe den anonymen Brief zwar nicht geschrieben, stimme aber mit dessen Inhalt überein. Es wurde ein Untersuchungsverfahren eingeleitet, an dessen Ende Di Pisa entlastet wurde. Nach einem grotesken und trickreichen Verwirrspiel mit Di Pisas Fingerabdrücken wurde er in erster Instanz der Verleumdung in einem besonders schweren Fall schuldig gesprochen und für »die anonymen Denunziationen verantwortlich« gemacht, in der Berufung jedoch freigesprochen: Die fotografischen Aufnahmen des Fingerabdrucks auf dem anonymen Brief, die zum Abgleich mit den Fingerabdrücken des Staatsanwalts im Labor des militärischen Geheimdienstes in Forte Braschi angefertigt worden waren, wurden vom Gericht nicht als Beweismittel zugelassen. Die Generalstaatsanwaltschaft verzichtete darauf, den Freispruch vor dem Kassationsgericht anzufechten. Heute ist Alberto Di Pisa Leiter der Staatsanwaltschaft Marsala und sitzt am selben Schreibtisch, an dem zwanzig Jahre zuvor Paolo Borsellino gesessen hatte.
De Gennaro und mit ihm die Leitung der römischen Kriminalpolizei waren genauestens darüber informiert, dass Contorno nach Palermo gekommen war, um sich an den Corleonesern zu rächen und Totò Riina aus seinem Versteck zu holen. All das war im Übrigen mit der Justiz und insbesondere mit den Untersuchungsrichtern Falcone, Ayala und Giammanco abgesprochen, mit denen sich De Gennaro zu dieser Zeit in Palermo getroffen hatte […].
De Gennaro und die ihm unterstellten Staatsanwälte haben also Contorno nach Palermo geholt, wohl wissend, dass er schwere Straftaten begehen würde. Es handelt sich um schwerwiegende Verantwortlichkeiten, wenn man bedenkt,dass Contorno Mineo, Baiamonte, Aspetti, Messicati und Cerva getötet hat […]. Dies sind äußerst gravierende Tatbestände. Es sind regelrechte Morde im Namen des Staates.
Aus dem anonymen Brief des
Corvo
vom Juni 1989, der an
die Staatsanwaltschaft, an den Hochkommissar Domenico
Sica und den Carabinieri-Kommandanten von Palermo,
Oberst Mori, gerichtet war
Eine weitaus gefährlichere Folge der Beschuldigungen des anonymen Briefschreibers war der Sprengstoffanschlag von Addaura. Dem
Corvo
zufolge hatte Falcone Contorno die Lizenz zum Töten erteilt und somit gegen die Spielregeln verstoßen. Damit war er von der Mafia zum Tod
Weitere Kostenlose Bücher