Die Mafia - 100 Fragen 100 Antworten - FAQ Frequently Asked Questions MAFIA
Monaten wurde Ihnen vorgeworfen, Sie hätten nach all den Jahren das Handtuch geworfen. Eine Vollbremsung nach dem gescheiterten Attentat von Addaura …
Wer arbeitet, kann nicht jeden Tag etwas vorlegen. Ein Mensch ist dann wirklich ein Mensch, ein reifer Mensch, wenn er nicht ständig etwas beweisen muss. Sicher wäre ich glücklich, überglücklich, wenn es hieße: »Der ist gut, der ist richtig gut, dieser Giovanni Falcone.« Aber man braucht Reife, ich habe gelernt, wie unverzichtbar dies ist, man kann es nicht allen recht machen.
Eine letzte Frage: Wie geht es Ihnen heute, wie fühlen Sie sich jetzt nach zwölf außergewöhnlichen, schweren Jahren, die Sie in Palermo verbracht haben?
Ich fühle mich wie jemand, der in ein vom Sturm aufgewühltes Meer eintaucht.
La Repubblica
, 1. März 1991
IV Antimafia
79. Wovor hat die Mafia wirklich Angst?
Ihren Reichtum zu verlieren, erleben zu müssen, wie ihnen ihr Hab und Gut genommen wird – das ist das Einzige, wovor die Mafiosi zittern. Es ist für sie schlimmer als eine lebenslange Freiheitsstrafe, schlimmer als die Aussagen eines Mafiaaussteigers, schlimmer als Haftverschärfung, ja, schlimmer als der Tod.
In den letzten Jahren wurden Immobilien, Yachten und Firmen der Bosse der Cosa Nostra beschlagnahmt, aber auch Landbesitz. Den
viddani
, den Bauern von Corleone, die stärker als alle anderen mit ihrer heimatlichen Erde verbunden sind, wurden ihre Ländereien weggenommen – das war eine tiefe Demütigung und eine bittere Rache. Wenn der Staat Besitztümer der Mafia identifiziert und konfisziert, führt er den wirksamsten Schlag gegen sie.
80. Welche gesetzlichen Maßnahmen zeigten im Kampf gegen die Mafia die größte Wirkung?
Die mit Abstand wichtigste Maßnahme war das Rognoni-La Torre-Gesetz im Jahr 1982, das mit Paragraph 416b den Straftatbestand der Mitgliedschaft in einer
mafiaähnlichen
Organisation ins italienische Strafgesetzbuch aufnahm. Bis dahin war lediglich die Mitgliedschaft in einer
kriminellen
Organisation strafbar gewesen. Das Gesetz ist nach dem damaligen Innenminister Virginio Rognoni und dem Abgeordneten der KommunistischenPartei, Pio La Torre, benannt, der maßgeblich an seiner Formulierung beteiligt war. Ihm war es nicht vergönnt, die Ratifizierung mitzuerleben. Er wurde am 30. April 1982 ermordet, das Gesetz jedoch erst vier Monate später ratifiziert, zwei Wochen nach dem tödlichen Anschlag auf den Carabinieri-General Carlo Alberto Dalla Chiesa, den Polizeipräfekten von Palermo.
Neben Paragraph 416b sieht das Rognoni-La Torre-Gesetz auch die Beschlagnahme illegal erworbener Vermögenswerte vor. In den vergangenen fünfundzwanzig Jahren wurden in Italien rund siebentausend Güter von Mafiabossen beschlagnahmt, zehn Prozent davon wurden enteignet.
Obwohl seither so viel Zeit vergangen ist und obwohl Verbesserungen und Aktualisierungen des Gesetzes notwendig wären (es gibt heute viele Möglichkeiten, es zu umgehen und sich reinzuwaschen), ist das Rognoni-La Torre-Gesetz nach wie vor ein strafrechtlicher Eckpfeiler im Kampf gegen die Mafia.
Es folgten die Gesetze zur Kronzeugenregelung und zur Haftverschärfung: die Aufhebung des normalen Strafvollzugs für verurteilte Mafiosi nach Paragraph 41b – eine weitere schwere Niederlage für die Ehrenmänner, die es gewohnt waren, sich in italienischen Gefängnissen als die Herren aufzuspielen. Sie ließen sich ihre Mahlzeiten aus den besten Restaurants kommen (»Den Fraß des Staates wollen wir nicht«) und verfügten nach ihrem Belieben über die Vollzugsbeamten und manchmal auch über den Gefängnisdirektor. Im Ucciardone-Gefängnis von Palermo konnten sie schalten und walten, wie es ihnen passte, und sogar ihre Besprechungen abhalten.
Seit Einführung von Paragraph 41b sind sie in Sondertrakten untergebracht. Sie wurden in ihrem Ansehen getroffen: kein Hofgang mehr mit den anderen Häftlingen, Besuche von Angehörigen nur einmal im Monat und nur durch eine gepanzerte Scheibe. Mit Paragraph 41b verloren die Mafiosi ihre Macht. Und noch ein Mythos geriet ins Wanken: der Mythos ihrer immerwährenden Straffreiheit.
Auch nach dem tödlichen Anschlag auf Falcone blieb Paragraph41b ein Gesetzesdekret und wurde erst nach der Ermordung Paolo Borsellinos in die Strafvollzugsordnung aufgenommen. Es mussten zuerst Pio La Torre und Polizeipräfekt Dalla Chiesa sterben, bevor Paragraph 416b und die Bestimmungen zur Beschlagnahme und Enteignung von Mafiagütern in Kraft traten; und
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