Die Mafia - 100 Fragen 100 Antworten - FAQ Frequently Asked Questions MAFIA
es bedurfte der Anschläge von Capaci gegen Falcone und in der Via D’Amelio gegen Borsellino, damit die Haftbedingungen für Mafiosi verschärft wurden. In Italien müssen immer zuerst viele Menschen sterben, bevor ein Antimafia-Gesetz ratifiziert wird.
Hier kann man nicht mehr bleiben. Wir müssen das Land verlassen, nicht nur Sizilien, nicht nur Italien, sondern Europa. Man kann hier nicht mehr frei und ordentlich arbeiten. Hier gibt es für uns keine Zukunft mehr. Tut mir leid, es ist ein schönes Land, aber hier gibt es keine Zukunft. Wenn ihr in Ruhe gelassen werden wollt, müsst ihr hier raus […], wenn es mit Sizilien allein getan wäre, könntet ihr in den Norden gehen […], aber sobald du mit deiner Mutter oder deiner Schwester, deinem Bruder oder deinem Neffen telefonierst, wirst du überwacht. Sie nehmen dir auch die Güter weg, die auf den Namen Dritter überschrieben sind, selbst wenn du achtzig bist – und zwar nur deshalb, weil du der Freund oder der Bekannte von dem und dem bist. Und es gab und gibt auf der Welt nichts Schlimmeres als die Enteignung von Gütern. So kommt man nur vom Regen in die Traufe. Wir Inzerillo sollten alle von hier weggehen. Nach Südamerika, nach Mittelamerika und fertig.
Der Boss Francesco Inzerillo zu seinen Neffen Giovanni und
Giuseppe in einem abgehörten Telefongespräch aus dem
Gefängnis von Turin, August 2007
81. Gibt es Gesetze, die die Mafia begünstigen?
Niemand macht ausführlich Gesetze zugunsten der Mafia. Viele versuchen jedoch, die geltenden Bestimmungen auszuhöhlen oder zu umgehen. Manche tun es im guten Glauben und im Namen der Rechtsstaatlichkeit, andere in böswilliger Absicht, ebenfalls im Namen der Rechtsstaatlichkeit.
Nehmen wir zum Beispiel die ständigen Änderungen der Kronzeugenregelung. Kürzlich wurde ein Gesetzesentwurf vorgelegt, der die Verknüpfung der Aussagen von Kronzeugen abschaffen wollte. In der Praxis hätte damit die Aussage von fünf Kronzeugen nicht mehr Wert als die eines einzigen, der ihnen widerspricht. Unter diesen Bedingungen hätten der Maxi-Prozess von Palermo und zahlreiche andere Prozesse, etwa gegen die Mörder von Falcone und Borsellino, gar nicht erst geführt werden können. Von verschiedener Seite wird zudem versucht, Paragraph 41b und das Gesetz zur Enteignung illegaler Vermögenswerte zu »überarbeiten«.
Weitere Gesetze, die den Kampf gegen die Mafia direkt oder indirekt geschwächt haben, sind das Gesetz zur Steueramnestie für Schwarzgeld aus dem Ausland, das Gesetz zur Straffreiheit bei Verstößen gegen das Gesellschaftsrecht sowie das Gesetz zur Verkürzung der Verjährungsfristen, wodurch viele Strafurteile gegen die Bosse faktisch ohne Wirkung blieben.
Manche zweideutigen Signale kamen von der Regierung Berlusconi und von Mitte rechts, andere von Mitte links. Der Vorschlag zur Schließung der Hochsicherheitsgefängnisse auf den Inseln Pianosa und Asinara, wo nach den Anschlägen von 1992 die gefährlichsten Bosse der Cosa Nostra einsaßen, kam beispielsweise von einer Mitte-rechts-Regierung. Die Schließung selbst erfolgte unter einer Mitte-links-Regierung.
Bei der Antimafia-Gesetzgebung der letzten Zeit ist schon alles Mögliche und auch sein Gegenteil vorgekommen.
Ein anderes Beispiel ist das Gesetz zur Beschlagnahme und Enteignung von Besitztümern der Mafia. Eine Änderung zu einem Haushaltsgesetz sieht vor, dass die enteigneten Mafiagüter, die nicht innerhalb von drei oder sechs Monaten – ein sehr kurzer Zeitraum – einer gemeinnützigen Bestimmung übergeben werden, versteigert werden müssen. Es liegt auf der Hand, dass eine Versteigerung den Bossen die Möglichkeit gibt, sich ihre Güter über Strohmänner zurückzukaufen, was auch schon vorgekommen ist. Jetzt aber können auch nach dem Tod eines Mafiosodessen Güter beschlagnahmt werden. Vorher ging sein Besitz an seine Kinder über, und der Tod des Mafioso kam einer Reinwaschung seines Vermögens gleich. Die politischen Signale sind also nie ganz eindeutig.
Im Herbst 2010 verkündete Innenminister Roberto Maroni triumphal: »Wir wollen den Krieg gegen die Mafia gewinnen, und wir werden dieses Krebsgeschwür bis zum Ende der Legislaturperiode besiegen.« Doch ein paar Tage zuvor war der Ministerrat nicht einmal bereit gewesen, den Gemeinderat von Fondi aufzulösen, eines von der Camorra unterwanderten Städtchens in der Provinz Latina.
Um die externe Unterstützung einer mafiaartigen Vereinigung ist in Italien eine
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