Die Mafia kommt zur Geisterstunde
Großmeister geliefert hatten. Ist doch dieses edle
Strategie-Spiel (Strategie = Feldherrnkunst) neben Mathe sein geistiges
Lieblingsfutter.
Die Zeit verging langsam.
In der Straße herrschte
Friedhofsstille.
Gegen 23 Uhr führte ein älterer Mann
seinen Dackel gassi. Er hieß Burschi, kam zu Tarzan und beschnüffelte
mißtrauisch dessen Hosenbeine. Offenbar fühlte er sich verantwortlich für den
Straßenabschnitt zwischen Rotkreuzplatz und fünfter Laterne. Tarzan wurde
geduldet, jedenfalls nicht in die Wade gezwickt.
Eine halbe Stunde später schwankten
zwei Betrunkene die Straße herauf. Sie brabbelten dummes Zeug, krakeelten aber
nicht. Der eine war bullig, der andere ein flinkes Fliegengewicht.
Unweit von Tarzan blieben sie stehen,
ohne ihn zu bemerken.
„Eddi“, lallte Fliegengewicht, „sssss...
sieh mal... bei MMMMM... Manowsky brennt noch Licht. Un... un... unser Trai...
Trainer schläft noch nicht.“
„Stimmt“, meinte Eddi, der Bullige, dem
die Zunge nicht so schwer zwischen den Zähnen lag. „Er... schläft noch nicht.“
„Ob... ob... er noch auf ist?“
„Ja, ob er noch auf ist?“
„Er... mag uns doch. Weil... weil...
wir seine Stammkunden sind.“
„Ja, er mag uns“, bestätigte Eddi.
Beide glotzten zu den erleuchteten
Fenstern hinauf.
„Ich... habe noch Durst“, teilte
Fliegengewicht mit. „Mano... hat immer ein Bier.“
„Immer“, nickte Eddi.
„Geh... gehen wir mal hoch zu ihm, ja!“
Sie überquerten die Straße.
Eddi wollte die Haustür auf stoßen.
Aber sie war abgeschlossen. Nach längerem Suchen entdeckten sie die Klingel.
Fliegengewicht ließ den Daumen drauf.
Auch nach einer halben Minute rührte
sich nichts.
„Hast du auch die... richtige Klingel?“
„Kl... Klar! Hier!“
Eddi überprüfte, wo sein Zechkumpan
klingelte, und fand, es sei in Ordnung, nämlich haarscharf bei Manowsky — und
nicht etwa beim Nachbarn.
„Ist... wohl nicht da“, meinte
Fliegengewicht. „Nur... nur das Licht brennt. Na, dann eben nicht. Pipipipi...
Pits Pinte hat ja noch... offen.“
Sie torkelten weiter.
Schreckgebadet saugte Tarzan die
Nachtluft ein.
Wahnsinn! Bewachte er eine leere
Wohnung? War Manowsky längst bei Nicole Fiebig? Hatte Karl geschlafen und den
entscheidenden Moment verpaßt?
Nein! Karl war zuverlässig. Aber wenn
Manowsky was vorhatte, benutzte er wahrscheinlich den Hinterausgang.
Im Laufschritt schob Tarzan sein Rad.
Eine Gasse führte hinter das Gebäude. Es enthielt außer dem Kraft-Center
mehrere Wohnungen in den oberen Stockwerken. Im Erdgeschoß hatten sich
verschiedene Geschäfte aneinander gewöhnt: eins für Tapeten, ein anderes für
Christbaumschmuck, eine Vermittlung für Heiratswillige und ein Handel für
gebrauchte Abendgarderobe.
Sie alle teilten sich eine Hintertür.
Hier ist er raus, dachte Tarzan. Wer
konnte das ahnen! Zu Fuß ist er zu seiner Nicole. Oder hat er einen Zweitwagen,
der irgendwo unter der Laterne parkt?
Sollte er warten?
Das hätte nichts geändert am Mißerfolg.
Und auch ein Tarzan braucht Schlaf.
Er schwang sich in den Sattel und
strampelte zum Internat zurück. Immerhin beflügelte ihn die Erkenntnis, Manowskys
Heimlichkeit beweise letztendlich, daß Nicole Fiebig noch in der Stadt sei.
Und wir werden sie erwischen! schwor er
sich.
12. Das Trio schlägt zu
Manowsky stand Schmiere, während Claus
Bink - Nicoles ehemaliger Komplice — den weißen Opel stahl. Der Wagen war neu
und tadellos bereift. Er stand auf einem Privatparkplatz nahe einem Hochhaus.
Der Handelsvertreter, dem der Wagen
gehörte, wohnte im achten Stock. Außerdem lag seine Behausung auf der anderen
Seite. Erst morgen früh würde er merken, daß er einen Leihwagen brauchte — bis
zum Erwerb eines neuen Fahrzeugs: vorausgesetzt der Opel blieb verschwunden.
Bink besaß ein Bund mit 78
Autoschlüsseln. Ständig kamen neue hinzu, die er stahl oder nach Wachsabdrücken
anfertigte. Daß er sein technisches Rüstzeug mit Sorgfalt ergänzte, darauf war
er stolz.
Es garantierte zwar nicht, daß heute
ein Schlüssel paßte. Aber er hatte Glück. Ohne den Wagen aufbrechen oder
kurzschließen zu müssen, rollte er vom Parkplatz.
Manowsky stieg ein.
„Das ging ja wie geschmiert, Claus.“
„So wird’s auch am Freitag sein“,
nickte Bink, „wenn wir das Kaufhaus Rose um die Einnahmen erleichtern.“
„Darauf... Achtung! Da kommt ein
Streifenwagen. Doch nicht etwa unseretwegen.“
Aber die Ordnungshüter fuhren vorbei,
drehten nur
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