Die Magd und das Teufelskind: Historischer Roman (German Edition)
mir, ich habe die ganze Nacht wach gelegen und gegrübelt. Es bleibt mir keine andere Wahl. Ich muss mich auf den Weg machen.«
»Bitte, Iven, lass mich an deiner Stelle gehen. Ich muss nur den passenden Zeitpunkt finden.« Alena schaute zu dem Tor. Wenn der Rat keiner weiteren Siechenschau zustimmte, wäre alles verloren. Iven würde weiterhin als Aussätziger leben müssen, aber an einem anderen Ort.
Plötzlich erblickte sie einen Mann, der sich dem Hof näherte. Alena glaubte, ihren Augen nicht zu trauen. Das war doch … Gülich! In der Hand hielt er Papiere, die er an seine Brust drückte. Alenas Herz machte einen Satz, und sie schickte ein Dankgebet zum Himmel.
»Ich glaube, wir haben Nikolaus mit unseren Gedanken gerufen.« Iven strahlte über das ganze Gesicht.
Nachdem sie Gülich überschwänglich begrüßt hatten, gingen sie gemeinsam ins Wirtshaus. Fyen und Bloitworst reckten neugierig die Köpfe, als sie den Gast entdeckten.
Alena zog es vor, sich an einem abseitsgelegenen Tisch in einem Erker niederzulassen.
Ohne Umschweife krempelte Iven den Hemdsärmel hoch und zeigte Gülich den Arm. »Was hältst du davon?«
Nikolaus staunte nicht schlecht und strich sich mit der Hand über seinen Spitzbart. »Ich dachte, es gäbe keine Heilung von der Sieche.«
»Ich habe den Aussatz wohl nie gehabt.«
»Aber das ist ja wunderbar! Was sitzt du dann noch hier herum?«
Alena erzählte ihm mit gesenkter Stimme von Bloitworsts Erklärung.
Nachdenklich runzelte Gülich die Stirn. »Ehrlich gesagt, ich habe keine Ahnung, ob der Mann recht hat. Aber ich werde mich so schnell wie möglich im Rat erkundigen.«
Iven drückte ihm dankbar die Hand. »Bitte lass dir nicht allzu lange Zeit damit. Ich will schnell zurück ins Leben.«
»Ich werde mich umgehend darum kümmern. Nun aber zu etwas anderem.« Gülich breitete die Papiere auf dem Tisch aus. »Diese Rechnungen hat mir Änni gebracht.«
Alena sah ihn verwundert an. »Änni? Wie geht es ihr?«
Gülichs Lächeln glich dem eines Lausbuben. »Sie macht einen recht munteren Eindruck. Sie sollte die Papiere für die Küchenfrau ins Rathaus bringen. Die Kleine war aber so klug und hat sie stattdessen zu mir gebracht.« Er schob einen Bogen zu Iven hinüber. »Hast du jemals Rechnungen für Crosch ausgestellt?«
»Ich? Nicht eine einzige. Das weißt du doch.«
»Ja, ja, immer mit der Ruhe. Ich wollte es noch einmal aus deinem Mund hören.« Gülich strich mit dem Finger über das Siegel. »Urkundenfälschung. Crosch treibt es wirklich auf die Spitze. Aber nun bekommen wir ihn am Kragen zu fassen.« Ohne den Blick von den Rechnungen zu wenden, nahm er einen tiefen Schluck aus dem Bierkrug und erzählte von seiner Freilassung.
25. K APITEL
E in Schwarm Mücken tanzte in der Luft, und die Erde roch nach dem Regen der letzten Nacht. Nun schien wieder die Sonne von einem Himmel, an dem sich weiße Wolken bauschten.
Alles würde gut werden. Alena versuchte, an die Gerechtigkeit zu glauben. Wie sehr wünschte sie sich, dass Gülich bald auf den Hof käme und Iven wieder zu den Lebenden gehörte! Doch Gülich brauchte sicherlich Zeit, die notwendigen Informationen zu beschaffen, gerade jetzt, wo im Rat alles drunter und drüber ging.
Einen Korb mit Schmutzwäsche unter den Arm geklemmt, ging Alena zum Waschhaus. Wie gern hätte sie an diesem Tag im Obstgarten gesessen und Gabriel in das warme Gras gebettet. So gut es ging, versuchte sie, wenigstens in Gedanken dem Kleinen nahe zu sein, und hoffte, er würde es spüren. Mittlerweile steigerte sich ihre Sehnsucht nach ihrem Sohn ins Unermessliche.
Alena war so in ihre Gedanken versunken, dass sie Fyens aufgeregte Rufe beinahe nicht gehört hätte.
Schnaufend eilte die Sieche auf sie zu. »Du musst kommen … schnell … Theres …« Fyen schnappte nach Luft und hielt sich die Seiten. »Es steht nicht gut um die Arme. Ich glaube, sie stirbt. Sie ruft nach dir.«
Alena ließ den Wäschekorb fallen und eilte in das Wohnhaus der Siechen.
In Theres’ Zimmer bot sich ein Anblick, der ihr trotz der Hitze eine Gänsehaut über den Rücken jagte. Im Bett liegend, hielt die Sieche mit letzter Kraft ihr Kind im Arm und weinte aus leeren Augen. Alena trat zu ihr und griff nach Theres’ eiskalter Hand.
»Der Tod will mich holen, aber ich kann nicht mit ihm gehen. Sophie braucht mich doch«, wimmerte die Sieche.
»Ich werde mich um die Kleine kümmern, das habe ich dir versprochen, erinnerst du dich?« Alena wischte sich
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