Die Magd und das Teufelskind: Historischer Roman (German Edition)
geht.«
»Aber sieh doch!« Alena deutete mit dem Finger auf den zerbrochenen Fensterladen. Zwischen ihren Beinen spürte sie die klebrige Flüssigkeit, die aus ihrer Scham rann. Flüchtig dachte Alena an ein Kindlein, das sich vielleicht diesmal eingenistet hatte. Doch wer wusste das schon?
Endlich richtete auch Gotthardt sich auf. Als er den zersplitterten Holzladen betrachtete, sah Alena im Schein des fahlen Monds die Schweißperlen auf seiner Stirn glänzen. In feuchten Strähnen klebte ihm das strohgelbe Haar am Kopf. Er stieg aus dem Bett und klaubte wortlos das Holz auf.
Eine unerträgliche Schwüle breitete sich in dem Zimmer aus.
»Ich kann mir das nicht erklären. Die Nacht ist doch vollkommen windstill.« Gotthardt zog die Stirn in Falten, legte die Holzteile auf die Truhe neben dem Fenster und kroch wieder ins Bett. »Lass uns schlafen.«
Alena sank in die Kissen und drehte Gotthardt den Rücken zu, um seinen säuerlichen Atem nicht riechen zu müssen. Was war bloß aus dem Sturm geworden, der sich soeben erst angekündigt hatte? Sie schauderte. Sollten doch Dämonen ihr Unwesen in dem Gemäuer treiben, wie die Kappesbäuerin behauptet hatte? Schnell verwarf Alena den Gedanken und rollte sich wie eine Katze zusammen. Das war doch Unsinn! Änni hatte sicher recht: Sie sollte das Geschwätz der Bäuerin nicht beachten.
Gotthardt war bereits vor Stunden aus dem Rathaus zurückgekehrt, und seitdem hatte seine Mutter ihn nun schon im Gebet. Ungeduldig schaute er zum Fenster. Erst war es Alena, über die sie sich beklagte, dann war die Magd an der Reihe, und schließlich landete sie bei Claeß. Sie wollte beten für die armen Seelen, das hatte sie erwähnt. Doch nicht nur das, mit eiserner Hand würde sie für Zucht und Ordnung in diesem verlotterten Haushalt sorgen.
Gotthardt hatte nur mit halbem Ohr zugehört und hin und wieder zustimmend genickt, denn mittlerweile war der späte Nachmittag in den Abend übergegangen, und seine Unruhe steigerte sich. Doch wenn er glaubte, die Mutter wäre nun mit ihrem Lamento am Ende, hatte er sich geirrt. Gemeinsam saßen sie in seinem Arbeitszimmer an dem runden Mahagonitisch, und Mergh schenkte sich erneut ein Glas Wein ein. Ihr Duftwasser verströmte das Aroma von Lavendel und legte sich schwer auf seine Lunge.
Gotthardt entwich ein Seufzer. Das Spätmahl würde bald aufgetragen werden. Doch wie er seine Mutter kannte, nahm sie darauf keine Rücksicht. Notfalls musste die Küchenfrau die Speisen noch einmal aufwärmen.
»Ach, stell dir vor, Gotthardt, was ich heute von der Gemahlin des Bürgermeisters von Cronenberg gehört habe.«
Gotthardt betrachtete seine Fingernägel. »Was denn?« Unter dem Nagel des Daumens hatte sich Dreck festgesetzt. Er konzentrierte sich nun darauf, ihn mit Hilfe des Nagels des Zeigefingers der anderen Hand zu entfernen.
»Syndikus Hugendahl liegt im Sterben. Das Fleckfieber hat ihn befallen. Doch wen wundert das? Mit der Reinlichkeit hat er es ja nie so genau genommen. Und auch seine Gemahlin macht wohl um jede Wanne mit Wasser einen großen Bogen. Ihre Ausdünstungen sprechen jedenfalls eine deutliche Sprache.«
Nun war Mergh mit ihrem Drang zur Reinlichkeit in ihrem Element. Gotthardt sog tief den Atem durch die Nase ein. Unter dem Nagel seines Mittelfingers befand sich ebenfalls Dreck, und er machte sich daran, auch diesen zu entfernen.
»Gotthardt, hör auf damit!«, mahnte die Mutter. »Du weißt doch, dass es heißt: Nur wenn du denkst, du bist allein, mache deine Nägel rein. Wie oft muss ich dir diesen Spruch denn noch predigen?« Sie schüttelte den Kopf. »Zurück zu diesem Hugendahl. Nun, da sein Amt bald frei wird, hast du die besten Voraussetzungen, zu seinem Nachfolger gewählt zu werden. Stell dir nur vor, du wärest der Rechtsbeistand des Bürgermeisters! Würdest ihn in allen juristischen Belangen beraten!« Ihre Augenlider flatterten vor Erregung. »Welch ein Posten!«
»Was?« Nun wurde Gotthardt hellhörig. Er kannte seine Mutter. Wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, würde sie ihr Ziel hartnäckig verfolgen, und wenn der Weg dorthin sie über Leichen führte.
»Habe ich mich nicht deutlich genug ausgedrückt, oder hörst du mir nicht richtig zu? Das Amt des Syndikus – wenn du verstehst, was ich meine – wäre genau das Richtige für dich. Dann könnte Claeß nicht mehr mit uns umspringen, wie es ihm beliebt. Denn dann bist du wer, hast Macht und Cronenberg im Rücken.«
»Mutter, mein Amt als
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