Die Magd und das Teufelskind: Historischer Roman (German Edition)
Zukunft.«
Gotthardt schreckte hoch und riss die Augen auf. »Was? Die Dämonenbrut?«
»Gib damit endlich Ruhe! Das Balg ist längst Geschichte.« Mergh machte eine wegwerfende Handbewegung.
Tiefer Abscheu krampfte Alenas Herz zusammen. Musste sie wirklich mit diesen Ungeheuern zusammenleben? Vielleicht sollte sie den beiden eine gute Dosis Gift verabreichen. Das war sicherer als Feuer. Aus einem brennenden Haus konnte man sich retten. Außerdem war es Vaters Haus. Wie lange würde sie Gabriel im Schuppen verstecken können? Dort war der Junge auf keinen Fall sicher. Sie hatte nicht viel Zeit, eine Entscheidung zu treffen.
Durch das Flackern der Öllichter verzerrte sich Merghs Schatten an der Wand gespenstig. Alena fragte sich, ob dies nicht bereits die Hölle war. Schlimmer konnte es dort auch nicht zugehen.
»Es gab keine Bestattung für dich. Das ist ein Glück.« Mergh kam ohne Umschweife zur Sache. Sie verschränkte die Finger und ließ die Gelenke knacken.
»Aber ein Grab gibt es.«
»Ja, direkt an der Friedhofsmauer. Dort hat es sicher noch niemand entdeckt. Gotthardt hat selbst das Holzkreuz in die ungeweihte Erde gerammt. Wir könnten behaupten, dass du bei Nacht und Nebel verschwunden warst.« Um Bestätigung heischend, warf Mergh ihrem Sohn einen Blick zu.
Dieser starrte wie stumpfsinnig auf seine Hände.
Mergh beachtete ihn nicht weiter und wandte sich erneut an Alena. »Also, wir drehen es so: Du hast den Verlust deines Kindes durch eine Totgeburt nicht verkraftet und bist kopflos zu einer Verwandten ins Bergische Land aufgebrochen. Mehr braucht es nicht, wenn jemand fragt.«
»Aber Ihr habt doch im Rat erzählt, dass sie …« Gotthardt war aus seiner Lethargie erwacht.
»Na und? Wie hätte ich es besser wissen sollen, wenn ich auf Reisen war?« Mit spitzen Fingern tippte Mergh auf die Armlehne ihres Stuhls. »Wer interessiert sich schon dafür? Die Herren haben andere Sorgen.« Sie blickte zum Fenster, hinter dem es bereits tiefste Nacht war.
Alena spürte, wie die Anspannung sich in Müdigkeit verwandelte. Plötzlich fiel ihr ein, dass sie neben Gotthardt würde schlafen müssen. Übelkeit stieg ihr in die Kehle. Und wenn er dann noch … Sie dachte daran, wie er vor Änni gekniet hatte. Mit einem Satz sprang sie vom Stuhl. »Nun, wo alles geklärt ist, darf ich mich doch sicher zurückziehen.«
Noch ehe Mergh etwas erwidern konnte, war sie aus der Bibliothek geeilt und lief in den Garten. Niemals mehr würde sie sich zu Gotthardt legen. Was ging es ihn an, wo sie die Nacht verbrachte?
Der Himmel über dem Leprosenhof wollte sich einfach nicht aufhellen. Iven saß auf der Steinbank vor der Kapelle und blickte in die dunklen Wolken. Unablässig dachte er an Alena. Wann endlich würde Gülich mit der befreienden Nachricht erscheinen? Langsam hielt er es nicht mehr aus. Wieder spielte Iven mit dem Gedanken, davonzulaufen und nach Alena zu suchen. Als ein Mann, dessen Herzschlag das Einzige war, was ihn zu einem Lebenden machte? Das war ein großes Risiko. Die Vernunft befahl ihm zu warten, bis er die Bürgerrechte wiedererlangt hatte, doch sein Herz pochte auf das Wagnis.
Im Osten färbten sich die nachtblauen Wolken in ein helles Grau. Endlich brach der Tag an. Iven betrachtete die weiße Kniebundhose, die ihn als Siechen auswies. Alle seine alten Kleider waren verbrannt worden, als er auf den Hof der Leprosen gezogen war. Wäre er doch nicht darauf eingegangen, auf Alenas Leben zu schwören! Diese Ohnmacht bei vollem Bewusstsein brachte ihn schier um den Verstand. Sehnsüchtig blickte er zum Tor des Hofes. Er wusste nicht, wie lange er in seine Gedanken versunken dagesessen hatte, doch mit einem Mal war es heller Tag. Als sich das Tor öffnete und Gülichs Silhouette auf ihn zueilte, glaubte Iven zu träumen. Er kniff sich in den Oberschenkel, und nachdem er den Schmerz gespürt hatte, sprang er auf. Nun würde er erfahren, wie es Alena erging, und bald ein freier Mann sein.
Doch Gülichs finsterer Gesichtsausdruck ließ keinen Zweifel daran, dass es keinen Grund zur Freude gab.
»Was ist mit Alena?«, stieß Iven atemlos hervor und krallte seine klammen Finger in den Stoff seiner Beinkleider.
Gülich ließ sich auf der Bank nieder. »Augenscheinlich geht es ihr gut. Sie ist jedenfalls nicht verletzt.«
Für einen Augenblick schlich sich die Erleichterung in Ivens Herz, die jedoch rasch von dunklen Vorahnungen überschattet wurde. »Was heißt das? Rede endlich!«
»Sie war mit
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