Die Magd und das Teufelskind: Historischer Roman (German Edition)
sich neben sie und richtete Gabriel in ihrem Arm so, dass Sophie Platz in dem anderen fand. Als beide Kinder an ihren Brüsten saugten, glaubte sie, vor Glückseligkeit zu zerbersten.
Änni rutschte neben sie und legte den Kopf auf ihre Schulter. »Ich habe ihn aus dem Kellerverlies geholt, als ihr fort wart.«
»Du bist ein Engel. Wie geht es dir?« Alena legte die Wange in Ännis Haar.
»Ich glaube, ich bin recht schnell wieder zu mir gekommen. Dann habe ich zuerst den Kleinen geholt. Du kannst dir nicht vorstellen, wie er da unten zwischen all den Spinnweben lag. Es war erbärmlich.« Änni verzog angewidert die Lippen. »Außerdem will ich nicht wissen, wann er zuletzt gefüttert wurde. Er schrie vor Hunger, und ich habe ihm ein wenig frischen Mehlbrei zubereitet. Aber den hat er ausgespuckt.« Änni sog tief den Atem ein.
»Ich habe dort unten nach ihm gesucht, doch da hattest du ihn schon geholt. Auf seinem Lager war ein Blutfleck.«
»Ja, aber das Blut stammt von mir, sei unbesorgt«, seufzte Änni. »Hast du keinen Schreck bekommen, als du das leere Lager vorgefunden hast?«
Die Angst der vergangenen Stunden holte Alena wieder ein. Zitternd schloss sie die Finger um Gabriels kleine Faust, um sich zu vergewissern, dass sie nicht träumte.
»Nicht doch, Leni, sei ganz ruhig. Du weißt doch, dass auf mich Verlass ist. Warum hast du nicht nach mir gesucht?«
Alena zuckte mit den Schultern. »Ich konnte wohl vor lauter Angst und Trauer nicht mehr richtig denken.«
»Leni, ich muss dich etwas fragen. Gottschreck hat mich doch nicht … oder? Ich meine … du weißt schon …«
»Nein, er hat dich nicht geschändet. Mergh hat es im letzten Augenblick verhindert.«
»Ich kann mir denken, warum.« Änni hob den Kopf von Alenas Schulter und runzelte die Stirn. »Er hat es nicht getan, weil du deine Aussage zurückgenommen hast.«
»Ja, und es ist gut so. Für unser aller Frieden.«
Gabriel wand sich in ihrem Arm. Er schien satt zu sein, und auch Sophie spuckte die Warze aus.
Änni nahm Alena das Mädchen ab und legte es neben sich auf das Lager. »Nein, Leni. Es ist nicht gut. Vielleicht nur für den Augenblick. Aber wie soll es nun weitergehen?«
»Ich werde wieder an Gotthardts Seite leben.«
Ännis Blick verfinsterte sich. »Das ist nicht dein Ernst.«
»Doch, du hast richtig gehört.« Alena versuchte, nur an Gabriel zu denken und ihr Glück festzuhalten. Aber jemand schlich sich in ihre Gedanken und sah sie mit traurigen moosgrünen Augen an. »Es geht nicht anders«, flüsterte sie. Die Sehnsucht nach Iven focht mit eiserner Faust gegen die Vernunft. Doch es half nichts. Sie musste Iven vergessen, für immer. Mit Gabriel an ihrer Seite würde ihr das gewiss gelingen. Irgendwann. Alena biss sich auf die Unterlippe und blickte Änni in die Augen.
»Du denkst an Iven, oder? Leni, deine Entscheidung muss nicht für immer gelten.«
Alena zog die Schultern hoch. »Fürs Erste gilt sie jedenfalls.« Sie legte Gabriel in Ännis Arm. »Pass gut auf ihn auf. Ich muss zurück ins Haus. Mergh erwartet mich in der Bibliothek.«
Mergh blickte angewidert auf Alenas Röcke und schüttelte den Kopf. »Habe ich nicht gesagt, du sollst dich frisch machen? Was hast du die ganze Zeit getrieben?«
Alena biss die Zähne zusammen und ließ sich auf einem der Lehnstühle nieder. Diese Frau hatte ihren Vater auf dem Gewissen! Doch sie musste den Gedanken beiseiteschieben, um des Überlebens willen. Die Zeit der Rache würde früh genug kommen.
»Eure Kleider passen mir nicht. Sie schlottern wie Mehlsäcke um meinen Leib.«
»Du hast recht. Klapperdürr bist du geworden. Gab es etwa nicht genug zu essen im Siechenhaus?«
»Nein, dort gab es nicht genug zu essen.« Alena blickte zu Boden.
Mergh hat Vater auf dem Gewissen. Der schreckliche Gedanke wollte sich nicht verdrängen lassen. Sie könnte das Haus anzünden, wenn Gotthardt und Mergh schliefen, und dann mit Änni und den Kindern davonlaufen. Da erinnerte sie sich an Gottes Mühlen. Mergh würde ihre gerechte Strafe erhalten. Ein bisschen Zeit würde sie dem Herrn noch geben und unterdessen versuchen, ihre Rachegelüste im Zaum zu halten.
Gotthardt rutschte tiefer in den Lehnstuhl, verschränkte die Finger vor dem Bauch und schloss die Augen. Sein Atem wurde ruhiger, und er begann, leise zu schnarchen.
»Das darf doch nicht wahr sein!«, stöhnte Mergh, erhob sich von ihrem Stuhl und rüttelte an seiner Schulter. »He, wach auf! Es geht um deine
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