Die Magd und das Teufelskind: Historischer Roman (German Edition)
Kehle zu. Sie nahm das Öllicht und stieg mit zitternden Beinen die Holzleiter hinauf. Nachdem sie die Tür zu dem Kellerverlies leise geschlossen hatte, begab sie sich zum Schuppen, um die kleine Sophie zu versorgen.
Mergh trommelte ungeduldig mit den Fingern auf den Beistelltisch. »Was treibt sie nur so lange?«
Den Blick auf den kalten Kamin gerichtet, schüttelte Gotthardt leicht den Kopf. »Ich kann nicht glauben, dass nun alles erledigt sein soll. Es ist ein unwirkliches Gefühl nach all der Zeit des Bangens, findet Ihr nicht?«
»Pah, Gotthardt! Du warst nie wirklich in Gefahr. Ich war doch immer bei dir.« Mergh erhob sich von dem Lehnstuhl, trat hinter ihren Sohn und legte ihm die Hände auf die Schultern.
»Was ist mit der Dämonenbrut?«
»Das grausige Ungeheuer wartet darauf, von seinem Erzeuger geholt zu werden.« Mergh massierte mit den Daumen Gotthardts Halswirbel.
»Ihr meint, es wird sich alles regeln? So, wie wir es uns immer vorgestellt haben?« Gotthardt wandte sich zu ihr.
»Ja, endlich wird alles gut, mein Junge.« Mergh strich ihm eine Haarsträhne aus dem Gesicht und berührte mit den Lippen seine Stirn. Sie konnte wirklich stolz auf sich sein. Immer wieder würde sie über Leichen gehen, damit es ihrem Sohn wohl erging. Der Erfolg gab ihr auch dieses Mal recht.
Alena fragte sich, warum es sie überhaupt in den Schuppen zog. War es wirklich ihre Aufgabe, sich um Sophie zu kümmern? Ihrem Sohn hatte sie nicht beistehen können, als er …
Wimmernd sank sie in das Gras unter den Apfelbäumen. Sie hätte bei ihm sein müssen, in jedem Augenblick seines kurzen Lebens. Alle ihre Entscheidungen waren falsch gewesen. Wie hatte sie ihn allein lassen können? Warum war sie nicht in dem Rundbogen der Stadtmauern geblieben und hatte gebettelt? Dann würde sie ihn heute noch in den Armen halten, seinen Duft einatmen und sein Lächeln erwidern können.
Das Zirpen der Grillen um sie herum klang wie blanker Hohn in ihren Ohren. Alena atmete tief gegen den Schmerz in ihrer Brust an und schaute in den Himmel. Kein einziger Stern war zu sehen. Selbst Vater hatte sich von ihr abgewandt. Recht hatte er. Ihr Blick fiel auf den Apfelbaum, unter dem sie vor langer Zeit am liebsten gesessen hatte. Seine Äste würden stark genug sein, um ihren baumelnden Leib zu tragen. Ein guter Ort, um zu sterben. Sie brauchte nur noch einen Strick.
Ein quengelnder Laut durchbrach die Stille der Nacht. In Gedanken bat Alena die kleine Sophie um Verzeihung. Und Theres oben im Himmel, wo auch Vater und Gabriel waren. Alena atmete den Duft der Erde, auf die sich der Tau legte. Tief unter ihr befand sich das Höllenfeuer, in das sie sich nach ihrem Urteil durch das Jüngste Gericht würde begeben müssen. All die Menschen, die sie von Herzen liebte, würde sie nie wiedersehen, wenn sie nun ihrem Leben ein Ende bereitete. Ein Ende, das nicht durch Gottes Hand herbeigeführt worden war, sondern durch ihre eigene. Aber hatte der Herr sie nicht durch seine Unachtsamkeit dazu gebracht, den Freitod zu suchen? Warum hatte er nicht sorgfältiger auf seine Schützlinge achtgegeben? Doch dann, als hätte sie einen Schlag auf den Kopf erhalten, erkannte Alena mit unbarmherziger Deutlichkeit, wie sehr sie selbst versagt hatte. Es verhielt sich umgekehrt: Gott hatte ihr Gabriel anvertraut, und sie hatte sich dieses Vertrauens als unwürdig erwiesen. Eine gerechtere Strafe als das Fegefeuer gab es für sie nicht.
Wieder drang aus dem Schuppen das Quengeln, dem diesmal ein Wimmern folgte, das sich rasch zu lautem Gebrüll wandelte. Alena sprang auf und schüttelte sich. Unter Abertausenden von weinenden Säuglingen hätte sie seine Stimme erkannt. Mit einem Satz stand sie vor dem Holzverschlag und stieß die Tür auf.
Änni blickte sie verärgert an. »Na endlich! Wo bleibst du denn? Ich kann die hungrige Meute kaum noch bändigen.« In jedem Arm ein zornrotes Kind haltend, hockte sie auf dem Bündel Stroh, das Alena in der vergangenen Nacht als Lager gedient hatte.
Alena stürzte sich auf Änni und riss ihr Gabriel aus dem Arm. »Dem Herrn sei Dank!« So fest es der kleine Leib vertragen konnte, drückte sie den Kleinen an sich und küsste ihren schreienden Sohn wieder und wieder. Dann legte sie ihre Brust frei und nährte ihn.
Gabriels Gebrüll verstummte augenblicklich, doch das von Sophie hallte weiterhin durch die Nacht.
»Wir müssen sie beruhigen, sonst werden wir am Ende entdeckt«, stellte Änni nervös fest.
Alena setzte
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