Die Magd und das Teufelskind: Historischer Roman (German Edition)
Wohnraum im obersten Stockwerk. Es war ein vornehmes Haus am Heumarkt, das der Bürgermeister unterhielt. Mit unzähligen Fenstern, durch die das Licht die großzügig geschnittenen Räume durchflutete. Die Möbel waren aus feinstem Mahagoni gefertigt und aufwendig verziert mit Ornamenten, die nur ein begabter Künstler geschnitzt haben konnte. Mergh atmete tief durch, als sie in das rubinrote Polster der Sitzbank sank. In einem fünfstöckigen Haus, dessen Giebel stufenförmig in den Himmel ragte und von dem man fast die ganze Stadt überblicken konnte, hätte sie auch gern gewohnt. Darüber musste sie unbedingt mit Gotthardt sprechen. Sicher gab es auf seinem neuen Posten die eine oder andere Gelegenheit, an schnelles Geld zu gelangen.
»Ein Likörchen, meine Liebe?«
Frau Marias Worte rissen Mergh aus ihren Gedanken. Dankend nahm sie den kleinen Kristallkelch entgegen und schaute zur Tür. Wo blieb bloß Cronenberg? Sie hatte doch um ein Gespräch mit ihm und nicht mit seiner Gattin gebeten. Was konnte dieses Weib denn schon ausrichten?
»Mein Gemahl befindet sich bei einer außerordentlichen Ratssitzung und hat mich gebeten, ihn zu vertreten.«
Mergh runzelte die Stirn.
Frau Maria entging das nicht. »Ihr seht aus, als wärt Ihr in einen Pferdeapfel getreten«, lachte sie. »Genügt Euch meine Gesellschaft etwa nicht?«
»Doch, doch, natürlich. Nur weiß ich nicht, ob ich mit meinem Anliegen bei Euch richtig bin. Versteht mich bitte nicht falsch, Frau Maria.«
Die Frau des Bürgermeisters hob die Augenbrauen. »Ihr unterschätzt meine Kompetenz. Viele der Entscheidungen meines Gemahls werden im Grunde von mir getroffen. Es gibt nichts, was er nicht mit mir bespricht. Ich bin sozusagen seine rechte Hand. Ist es denn nicht meistens so, dass wir Frauen die eigentlichen Männer sind?«
Wie viel Wahrheit doch in Frau Marias Worten lag. Was wäre aus ihrem Gotthardt geworden, wenn sie, seine Mutter, ihm nicht stets zur Seite gestanden hätte? Wahrscheinlich nicht viel. Selbst das Studium des Rechts hatte er ihr zu verdanken, weil sie bei den entsprechenden Leuten immer ein richtiges Wort gefunden hatte. »Frau Maria, meine Bewunderung ist Euch gewiss. Ihr habt recht. Ich bin ja selbst nicht in eigener Sache hier. Es geht vielmehr um meinen Sohn.« Mergh nippte an dem Likör. Das herbe Aroma der Kräuter umspielte ihre Zunge und wärmte ihre Brust. »Ich hoffe, mit meinen Geschenken Euren Geschmack getroffen zu haben.«
Frau Maria lächelte wohlwollend. »Aber sicher, meine Liebe. Ein feines Tuch, das jedes Frauenherz erfreut.«
Mergh wünschte, die Gemahlin des Bürgermeisters hätte einen Blick in den Sack mit den Reichstalern geworfen. Doch diesen hatte sie gar nicht beachtet, nachdem Thomas ihn ins Haus geschafft hatte. »Ich will nicht lange um den heißen Brei herumreden, wenn Ihr erlaubt. Es geht um den Posten des Syndikus, der gerade frei geworden ist.« Ihr Herz bebte, als rollte es über einen steinigen Acker. »Ihr tätet gut daran, die Wahlen in Gotthardts Richtung zu lenken.«
Frau Maria blies die Wangen auf. »Das ist es also, was Ihr begehrt. Den Posten des Syndikus für Euren Sohn. Hat er denn Referenzen?«
Mergh erzählte von Gotthardts Studium des Rechts und von seiner Zugehörigkeit zu den 44ern in der Gaffel Himmelreich. Von den 22 Gaffeln, die in Köln die Zünfte verbanden, wurden je zwei Männer auserwählt, die als Kontrollorgan des Rates fungierten. Dass Gotthardt dazugehörte, darauf war Mergh besonders stolz. Natürlich vergaß sie auch nicht, seinen Posten als Schöffe im Hohen Weltlichen Gericht zu erwähnen.
Nachdem Frau Maria aufmerksam zugehört hatte, hob sie schließlich die Hand. »Nun weiß ich endlich, von wem Ihr sprecht. Der gute Doktor Crosch. Warum habt Ihr das nicht gleich gesagt?«
Mergh war erstaunt. Ihren Namen hatte sie selbstverständlich in ihrem Brief an den Bürgermeister genannt. Doch beim Anblick von Frau Marias enthusiastischem Gesichtsausdruck ließ sie den Einwand unter den Tisch fallen. »Was meint Ihr? Wie sind die Aussichten?«, fragte sie stattdessen und starrte wie eine Schlange auf das Kaninchen in die Augen der Bürgermeisterfrau.
Diese hob die Schultern und presste die Lippen aufeinander. »Das liegt nicht allein in der Hand meines Gemahls. Wie Ihr bestimmt wisst, brodelt es im Rat. Ein gewisser Gülich sorgt dort für Unfrieden. Und wie es scheint, stehen die Bannerherren der Gaffeln hinter ihm.«
Mergh nickte betreten. »Das ist mir nicht
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