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Die Magd und das Teufelskind: Historischer Roman (German Edition)

Die Magd und das Teufelskind: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Magd und das Teufelskind: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele Breuer
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Ladefläche des klapprigen Gefährts stand eine Kiste aus Kiefernholz, gerade so groß, dass ein Kleinkind hineingepasst hätte.
    »Mach die Kiste auf!«
    Der Bote löste mit einer Zange die Nägel und hob den Deckel ab. Ein verkohlter Gestank entwich der Kiste und ließ Alena würgen. Sie beugte sich vor und spähte hinein. Schwarze Knochen lagen durcheinandergeschüttelt darin. »Das kann auch ein Tier sein«, erklärte sie mit fester Stimme.
    Änni war neben sie getreten. Die Freundin griff in die Kiste und zog einen Fetzen halbverbrannten Stoffs hervor, auf dem ein verrußter Knopf befestigt war. Sie spuckte auf den Zipfel ihres Ärmels und begann, den Knopf zu polieren.
    Da schlug Alena laut schluchzend die Hände vor den Mund. Die Buchstaben waren deutlich zu erkennen: CS – Claeß Sonnemann –, die Initialen ihres Vaters. Es war einer der Knöpfe, die sie ihm zu seinem letzten Geburtstag geschenkt hatte. Sie hob die Röcke und stürzte halbblind vor Tränen ins Haus.
    In ihrer Kammer ließ sie sich auf das Bett fallen und rief weinend nach ihrem Vater. Der Schmerz wütete in ihrem Herzen, zerriss es in tausend Stücke. Wie sollte sie ohne ihn leben können?
    »Du musst an das Kleine denken.« Änni war ihr gefolgt, ließ sich nun auf der Bettkante nieder und reichte ihr einen Becher. »Trink das, damit der Schmerz erträglicher wird.«
    Doch Alena schlug ihr den Becher aus der Hand. »Der Schmerz wird erst fort sein, wenn ich tot bin wie Vater«, schrie sie. »Und nun lass mich in Ruhe! Ich will niemanden sehen.« Sie zog sich die Bettdecke über den Kopf und hoffte zu ersticken. Immer wieder schob sich das Bild der schwarzen Knochen vor ihre Augen. Nie zuvor in ihrem Leben hatte sie solch einen Schmerz gespürt.
    Änni strich über die Bettdecke. »Ich lass dich nicht allein, Leni.« Auch sie konnte die Tränen nicht länger zurückhalten.
    Alena schälte sich schließlich aus den Laken und ließ sich wie ein kleines Kind im Arm wiegen, bis sie nach langer Zeit immer noch schluchzend endlich einschlief.
    Alenas Beine waren schwer wie Blei, als sie den Flur entlangschritt. Der Vater hatte sie rufen lassen, doch sie konnte sich nur langsam bewegen, kam kaum von der Stelle. Die Beine wurden immer schwerer, doch dann erreichte sie endlich die Tür zu seinem Arbeitszimmer. Als sie eintrat, saß ein verkohlter Knochenmann hinter dem Schreibpult und hob die Hand.
    Alena schrie auf und wollte davonlaufen, doch ihre Beine versagten. Ein Strudel sog sie unaufhaltsam in ein tiefes schwarzes Loch, und ihre Schreie erstickten. Plötzlich vernahm sie eine vertraute Stimme.
    »Leni, du musst etwas essen. Bitte! Seit drei Tagen liegst du nun im Bett und hast nur ein wenig Wasser zu dir genommen.« Änni hielt ihr einen Löffel mit Grießbrei an die Lippen.
    In Alenas Kopf hämmerte der Schmerz. Ihre Augen waren geschwollen und tränenleer. Der Geruch des Breis verschlimmerte die Übelkeit in ihrem Leib, und sie presste die Lippen aufeinander.
    »Sieh doch, draußen ist so schönes Wetter. Die Novembersonne ist noch warm. Wollen wir nicht ein wenig im Garten spazieren gehen? Das würde auch dem Kleinen guttun.«
    Alena schüttelte den Kopf. »Lass mich im Bett bleiben, bis ich tot bin. Bitte, Änni.«
    Änni stellte brüsk den Napf mit dem Brei auf den Nachttisch. »Nun reicht es mir aber, Leni! Der Herrgott bestimmt, wann er dich zu sich ruft, und nicht du! Willst du etwa das Kind in deinem Leib verhungern lassen? Und was willst du deinem Vater erzählen, wenn du ihn vor dem Jüngsten Gericht wiedersiehst? Er würde dich verachten.«
    Alena schluckte schwer gegen den Kloß in ihrem Hals. Änni hatte recht. Doch wie sollte sie die Trauer bekämpfen, die sie lähmte und das Leben nur noch in schwarzen Farben zeigte? Nie wieder würde sie Freude verspüren können, davon war sie überzeugt. »Änni, es geht nicht. Ich kann Vater nicht vergessen.«
    »Das sollst du doch gar nicht.« Änni holte tief Luft. »Morgen ist die Beerdigung. Dann kannst du dich von ihm verabschieden und ihm einen besonderen Platz in deinem Herzen zuweisen.« In ihren Augen schimmerten Tränen. »Bitte, Alena! Gib dich und das Kind nicht auf. Du hast doch noch mich. Ich werde dir immer beistehen, wenn Gottschreck und das Brauereipferd dich schikanieren.« Eine Träne hatte sich aus Ännis Auge gelöst und kullerte über ihre Wange. Sie zog die Nase hoch und rang sich ein zaghaftes Lächeln ab.
    Nun flossen auch Alenas Tränen wieder. Sie warf sich in

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