Die Magd und das Teufelskind: Historischer Roman (German Edition)
nichts gesagt.« Sosehr sich Iven auch zu erinnern versuchte, davon war ihm nichts bekannt.
»Insgesamt … Augenblick … ich rechne. Zwei Pfund Wachs und einundzwanzigeinhalb Mark sind es genau.«
Iven stutzte. So viel blieb aus dem Verkauf der Statue nicht übrig. Der Bannerherr zahlte ihm 100 Mark, und das war schon sehr großzügig von ihm.
»So viel habe ich nicht.« Iven senkte den Blick.
»Gut, dann müssen wir die Pfründe schmälern. Denk daran, dass es üblich ist, ein Einstandsmahl auszurichten.«
Iven konnte es nicht fassen. Glaubte dieser Mann etwa, dass er über wahre Reichtümer verfügen konnte? Doch es half nichts. Und was hatte er schon zu verlieren? »Wie hoch wären die Pfründe, wenn ich nur achtundsiebzig Mark einbrächte?«
»Eine Mark. Darüber hinaus überlässt du uns deine Werkstatt und dein Haus, wenn du stirbst.«
Die letzten Worte drückten sich wie ein Brandeisen in Ivens Herz.
Diederich war seit dem Überfall vor zwei Tagen nicht mehr auf dem Hof der Kappesbäuerin aufgetaucht. Doch wider ihre Befürchtungen hatte Alena bleiben dürfen, nachdem sie Mettel hoch und heilig versprochen hatte, ihr das Kostgeld von ihrem ersten Lohn zu zahlen. Nachdem sie nun zwei Tage gelegen hatte, waren die Kräfte in ihren Leib zurückgekehrt, und Alena fühlte sich stark genug, um der Bäuerin zur Hand zu gehen. Sie sah kurz nach Gabriel, der friedlich in seinem Körbchen schlummerte, und verließ die Scheune.
Mettel saß in dem Pferch und melkte die Ziegen. »Ich hoffe, die Milch reicht noch, um alle Mäuler satt zu bekommen.«
Das schlechte Gewissen überfiel Alena. Dabei hatte sie sich bei den letzten Mahlzeiten schon mit ganz kleinen Portionen zufriedengegeben. Noch weniger durfte sie nicht essen, sonst würde die Milch für Gabriel versiegen.
Ohne länger darüber nachzudenken, fasste sie all ihren Mut und traf eine Entscheidung. »Ich werde noch heute auf dem Leprosenhof nach einer Anstellung fragen«, schoss es pfeilschnell aus ihrem Mund.
Mettel ließ von der Ziege ab und wandte sich zu ihr. »Gut so, Mädchen. Je eher, desto besser.«
»Es bleibt dabei, dass du Gabriel in deine Obhut nimmst?«
»Das hatten wir doch schon besprochen.« Mettel griff nach dem Eimer und schaute hinein. »So viel Milch wird der Kleine ja nicht verputzen, bis du das erste Geld bringst.«
»Wenn ich heute schon anfangen kann, dann werde ich dortbleiben. Und sobald ich den ersten Lohn erhalten habe, komme ich zurück.« Bei diesen Worten hätte Alena am liebsten laut aufgeschluchzt, doch sie beherrschte sich. Später, wenn sie allein war, konnte sie immer noch weinen.
»Ich werde gut für den Kleinen sorgen und ihn vor den Augen der Kirchenmänner verbergen. Vertrau mir ruhig.« Mettel stellte den Eimer vor ihre Füße. »Komm, ich brühe dir noch einen Aufguss, damit du bei Kräften bleibst. Geh und hol Gabriel in die Wohnstube.«
Am liebsten wäre Alena sofort vom Hof gestürmt. Doch ein Blick in die Augen der Bäuerin sagte ihr, dass dieses Gespräch noch nicht beendet war.
»Es ist nicht leicht, ein sonderbares Kind zu verstecken.« Mettel stellte zwei irdene Becher mit Kräutersud auf den Tisch.
»Das habe ich bereits erfahren müssen.«
»Ja, das ist wohl wahr. Immerhin hat Knütterhens mich nicht verstoßen. So kann die kleine Billa im Schutz des Hofes aufwachsen.« Mettel sog scharf den Atem ein und hob den Blick. Im Schein des Herdfeuers glitzerten in ihren Augen Tränen. »Sie ist nicht getauft.«
In Alenas Herz fochten Wut und Verzweiflung einen erbitterten Kampf miteinander aus. Sie krallte die Finger ineinander. »Sie ist kein Gotteskind, nicht wahr?«
»Nicht in den Augen der Kirchenmänner.«
Plötzlich musste Alena wieder an Ännis Worte denken. An die Sterne, die verstorbene Seelen waren. Und an Ännis Überzeugung, dass es Gott recht war, wenn sie daran glaubte.
In ihrer Lunge brannte der Atem. »Du wirst Gabriel genauso vor den Kirchenmännern verstecken wie Billa, oder?«
»Darauf kannst du dich verlassen.« Mettel nippte an dem Kräutersud.
»Hat die Kleine jemals den Hof verlassen?«
»Nein. Oder glaubst du, ich lasse sie in den sicheren Tod laufen?« Mettels Gesicht wirkte mit einem Mal fahl wie Asche. »Ich könnte ihr weißes Haar unter einer Haube verstecken. Doch die Augen kann ich ihr nicht auskratzen. Vielleicht werden sie ja auch irgendwann einmal ganz so blau wie meine. Wir werden sehen.«
Alena nahm Gabriel aus dem Körbchen und drückte ihn an ihre Brust.
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