Die Magd und das Teufelskind: Historischer Roman (German Edition)
seinen Augen glitzerten Tränen. »Außerdem bekommen sie so kleine Portionen in die Kammer gebracht, dass nicht einmal ein Kind davon satt würde. Ich habe schon mit der Verwalterin gesprochen, aber die dreht es sich, wie es ihr passt, und sagt, die Eltern würden sowieso nicht mehr essen.«
Angestrengt dachte Alena nach. Hier innerhalb der Mauern würden sie kein Gehör finden, selbst beim Hospitalmeister Peltzer nicht. Es war nicht zu übersehen, dass er sehr von der Verwalterin angetan war. Alena wickelte sich das Band ihrer Schürze um den Finger. »Ich würde am liebsten Beschwerde beim Rat einlegen, aber Gotthardt hat geschworen, Gabriel zu töten, wenn er mich in der Stadt sieht. Die Gefahr, ihm im Rathaus über den Weg zu laufen, ist zu groß für mich. Das musst du verstehen.«
Iven griff nach ihrer Hand. »Natürlich kannst du nicht einfach ins Rathaus spazieren. Es würde auch gar nichts nutzen. Was interessiert die Herren dort das Schicksal meiner Eltern? Wenn sie nur reichlich kassiert haben, kann doch hinter ihrem Rücken der Rhein die Stadt ruhig überfluten.«
»Aber was ist mit diesem Gülich? Kann er uns nicht helfen?« Alena sah Iven fragend an.
Ein Funken der Hoffnung loderte plötzlich in seinen Augen auf. »Du hast recht. Gülich hat immer ein offenes Ohr für Missstände, besonders wenn sie den Rat betreffen. Der ist schließlich für den Leprosenhof zuständig.« Er drückte Alenas Hand. »Würdest du ihn an meiner statt aufsuchen?«
»Wann? Jetzt gleich?«
»Sobald es deine Zeit zulässt.« Ivens flehender Blick ließ sie schnell eine Entscheidung treffen.
»Ich muss für Fyen auf den Aldemarkt gehen. Ein Abstecher zu den Obenmarspforten wird nicht allzu schwierig sein.«
Iven zog Alenas Hand an die Lippen und küsste ihre Fingerspitzen. »Ich werde dir alles entgelten.«
»Nimm mich nur in den Arm, mehr brauche ich nicht.«
Einen Lidschlag später umhüllte Iven sie mit seiner Wärme.
Die Kapuze des Siechenmantels tief ins Gesicht gezogen, besorgte Alena für Fyen die Bandwaren auf dem Aldemarkt und eilte dann die Obenmarspforten entlang, bis sie Gülichs Haus erreicht hatte. Imposant erhob sich vor ihr der mehrstöckige Bau mit den hohen Fenstern und den Stufengiebeln.
Noch ehe sie anklopfen konnte, öffnete der Hausherr die Tür. Wie es schien, war er im Aufbruch begriffen, denn er trug einen breitkrempigen Hut, den eine Fasanenfeder zierte. Verblüfft blickte er Alena an. »Möchtest du zu mir?«
Alena schob die Kapuze von ihrem Haar. »Ja, ich komme im Auftrag von Iven Roder, dem Steinmetz.«
»Iven? Wie geht es ihm?« In Gülichs Blick lag ehrliches Bedauern.
»Bis jetzt recht gut. Der Aussatz hat sich nicht verschlimmert.«
»Es ist wirklich tragisch, dass ihn die Sieche befallen hat.« Gülich strich sich über den Spitzbart. »Als ich davon erfuhr, habe ich mit Gottes Gerechtigkeit gehadert. Es gibt einige Leute, die es eher verdient hätten, dem Tode geweiht zu sein.«
Alena hätte sich am liebsten die Ohren zugehalten. Sie wollte nicht hören, was sie die ganze Zeit versuchte, aus ihrem Herzen zu verdrängen.
»Welche Botschaft hast du denn von Iven?« Gülich nahm den Hut ab und glättete mit der Hand das dunkle Haar, das er in der Mitte gescheitelt hatte.
»Habt Ihr einen Augenblick Zeit für mich?«
Der Kaufmann blickte in den Himmel. Eine Wolke schob sich vor die Sonne und legte einen Schatten über die Gasse. »Ich bin auf dem Weg ins Gaffelhaus. Doch Iven ist mir durchaus einen Augenblick wert. Er hat mir sehr dabei geholfen, Beweise zu sammeln. Und nun helfe ich ihm.« Schwungvoll stieß Gülich die Eingangstür wieder auf und geleitete Alena in die Wohnstube.
Alena wunderte sich sehr über die schlichte Einrichtung des Raums. Von Samt und Brokat fehlte jede Spur. Einfache, aus Kiefernholz gezimmerte Regale bogen sich schief an der Wand. Sie beherbergten Tongefäße mit angeschlagenen Kanten und verschlissene Tücher sowie einige alte Schachteln. In der Mitte des Raums stand ein einfacher Tisch aus demselben Holz, umringt von vier Stühlen, die drohten jeden Augenblick zusammenzubrechen. Warum nur leistete dieser Mann sich kein anständiges Mobiliar, um sein Heim wohnlicher zu gestalten? Dabei hieß es doch, er betreibe einen schwungvollen Weinhandel.
Gülich rief nach der Haushälterin, die kurz darauf etwas Wein und Gebäck brachte. Genüsslich biss er in einen Krapfen und neigte den Kopf zur Seite. »Erzähl, Mädchen.«
Alena berichtete von den
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