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Die Magd und das Teufelskind: Historischer Roman (German Edition)

Die Magd und das Teufelskind: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Magd und das Teufelskind: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele Breuer
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alten Leuten, die nach und nach auf den Leprosenhof zogen, von Ivens Eltern und von der Armut, die zu Melaten herrschte.
    »Dass immer mehr ältere Leute sich Pfründe kaufen, ist im Rat bereits bekannt. Die Siechen werden immer weniger, und der Hof könnte sich sonst nicht halten.«
    »Das ist es nicht, was Iven und mich stutzig macht, glaubt mir. Es ist die Not, die herrscht. Alte und Sieche, die sich zu wehren wissen, bekommen noch genug zu essen. Aber Menschen wie die arme Theres, die keine Kraft mehr haben, oder Ivens Eltern, die den Verstand nicht mehr beisammenhaben, bekommen fast nichts auf den Teller.«
    »Das ist ein Unding«, stellte Gülich zornig fest. »Die Mahlzeiten müssen für alle Bewohner gleich sein. Es war immer so, dass die Wohlhabenden die Armen mitfinanziert haben.«
    »Heute finanzieren sie den Hospitalmeister und das Verwalterehepaar.« Alena krallte die Finger in ihren Mantel, um nicht auf den Tisch zu schlagen.
    »Das sind schwere Beschuldigungen, Mädchen. Dazu braucht es Beweise. Die Bücher müssten eingesehen werden.«
    »Papier ist geduldig. Die Herrschaften haben mit Sicherheit nicht die tatsächlichen Kaufpreise für die Pfründe aufgelistet.« Je länger Alena darüber nachdachte, desto mehr erhärtete sich ihr Verdacht. »Viele der alten Leute sind so gebrechlich und verwirrt, dass man sie nicht danach fragen kann. Außerdem haben sie keine Angehörigen, die sie verteidigen könnten.«
    »Aber woher haben Ivens Eltern das Geld?« Gülich hielt ihr den Teller mit dem Gebäck hin. »Soweit ich weiß, gibt es bei ihnen nichts zu holen.«
    Alena nahm einen Krapfen und hielt ihn in der Hand, ohne hineinzubeißen. Dann erzählte sie von Hans Jorgen und seinem Geliebten.
    Trotz des Ernstes der Lage musste Gülich schmunzeln. »Verzeih, Mädchen. Aber mit diesem Jungen hat sich die Familie Roder wirklich ein faules Ei ins Nest gelegt.«
    Alena zerpflückte den Krapfen in ihrer Hand. »Kann man dagegen etwas unternehmen? Ihn zu einer Aussage zwingen? Er behauptet ja, er hätte die Pfründe nicht gekauft.«
    Gülich blies die Wangen auf. »Dazu kann ich nun wirklich nicht viel sagen. Im Rat brennt die Luft, glaube mir. Die Bürgermeister sind unter Arrest gestellt worden. Ich vermute, dass die Missstände zu Melaten ganz hinten auf die Liste kommen.«
    »Die Bürgermeister sind unter Arrest gestellt?« Alena sah ihn erstaunt an. »Das wusste ich nicht. Was ist denn mit meinem Mann? Iven hat mir erzählt, dass auch er …«
    »Dein Mann? Wer bist du, Mädchen?« Gülich sprang auf und stützte sich mit den Händen auf den Tisch.
    »Mein Name ist Alena, Alena von Crosch.«
    Gülichs Kehlkopf trat deutlich sichtbar hervor. Seine Augen hatten sich verfinstert und starrten sie an. »Kommst du tatsächlich aus dem Haus der Siechen, oder hat dein feiner Gemahl dich als Spitzel geschickt?«
    »Nein, nein! Das dürft Ihr nicht glauben!« Die Stube begann, sich zu drehen. Um Alenas Hals schien sich eine Schlinge zu legen, die wie von Geisterhand langsam zugezogen wurde.
    »Warum denn nicht?« Gülichs Blick durchbohrte sie.
    Alena sprang auf. »Weil ich nichts mehr mit meinem Mann zu tun habe! Er hat mich für tot erklärt. Versteht Ihr? Ich habe ein Grab auf dem Kirchhof!« Sie spürte, wie unter ihr die Beine nachgaben, und ließ sich rasch auf den Stuhl sinken. »Geht und überzeugt Euch selbst, wenn Ihr wollt.«
    Gülich blickte sie verstört an. »Das wird nicht nötig sein. Ich glaube dir, Mädchen. Kreaturen leben unter Gottes Hand … Es ist nicht zu fassen. Geh und richte Iven meinen Gruß aus. Ich werde der Untersuchungskommission die Missstände im Leprosenhaus vortragen.«
    »Bevor ich gehe, möchte ich eine Aussage zu Gotthardt machen. Bitte, nehmt sie auf, aber verwendet sie erst, wenn ich es Euch gestatte. Gotthardt darf nicht wissen, wo ich bin.«
    Mit einem verwunderten Gesichtsausdruck holte Gülich Papier und Feder und setzte sich wieder an den Tisch.
    Alena berichtete, wie Gotthardt sich mit Mergh über die Finanzierung des Hauses unterhalten hatte, und gab Änni als Zeugin an.
    Ein zufriedenes Lächeln umspielte Gülichs Lippen.
    »Bitte, haltet dies unter Verschluss, bis der richtige Zeitpunkt gekommen ist.« Alena legte ihre Hand auf die von Gülich.
    »Ja, das verspreche ich dir, Mädchen. Du kannst dich auf mein Wort verlassen.«
    »Sagt, Herr, könntet Ihr mir noch einen Gefallen erweisen?«
    Gülich nickte und hörte ihr aufmerksam zu.

20. K APITEL
    Ä nnis Gesang

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