Die Magd und das Teufelskind: Historischer Roman (German Edition)
gesetzt und hielt den Blick fest auf Gülich gerichtet. »Von welchen Beweisen sprecht Ihr?«
»Der Steinmetz Iven Roder hat ausgesagt, dass er von dem ehemaligen Rentmeister Kreps bezahlt wurde.«
»Seit wann zählt das Wort eines lebenden Toten? Er ist aus der Gemeinde ausgesegnet worden und hat all seine Rechte verloren.«
Gülich ignorierte Mergh und richtete seine Aufmerksamkeit auf Gotthardt. »Habt Ihr den Umbau Eures neuen Hauses aus dem Stadtsäckchen finanziert?«
»Natürlich nicht!«, polterte Gotthardt los. In ihm loderte blanke Wut.
»Die Aussagen von anderen Stadtwerkern stehen noch aus. Aber es gibt genügend Beschwerden gegen den Rentmeister. Er hat inzwischen so gut wie gestanden.« Gülich hob eine Augenbraue. »Wollt Ihr es ihm nicht gleichtun, Syndikus?«
»Es gibt nichts, was er gestehen könnte«, keifte Mergh. »Euch obliegt die Beweispflicht. Warum erhebt Ihr Klage gegen treue und rechtschaffene Ratsmitglieder? Weil Ihr ein Aufrührer seid, der sich selbst einen guten Posten im Rat unter den Nagel reißen will. Nichts als Eigennutz treibt Euch an.« Mergh spuckte Gift und Galle.
»Immer schön langsam, gnädige Frau. Mittlerweile liegen zwei Anklagepunkte vor. Ämterkauf und Missbrauch der städtischen Gelder.« Gülich klopfte mit dem Federkiel auf das Schreiben.
Ein Fauchen entfuhr Merghs Kehle. »Euren Machenschaften wird schneller der Riegel vorgeschoben, als Ihr denken könnt. Wartet’s nur ab! Die Mühlen sind bereits in Bewegung. Bald wird es Euch an den Kragen gehen, nicht mehr den Rechtschaffenen im Rat.«
Gotthardt blickte seine Mutter ratlos an. Wovon sprach sie nur? Kein Wort hatte sie ihm gegenüber verloren.
»Ihr könnt nun gehen, aber seid gewiss, dass wir uns bald wiedersehen werden.« Gülich setzte ein siegessicheres Lächeln auf.
In ihre Gedanken vertieft, ging Alena über den Hof hinüber zum Waschhaus. Die Erinnerung an die Nacht mit Iven begleitete sie und umhüllte ihr Herz wie warmes Moos.
Plötzlich drangen laute Rufe an ihr Ohr und holten sie in die Gegenwart zurück. Sie drehte sich um und sah, wie Änni durch das Tor stürzte und auf sie zueilte.
Außer Atem presste sie sich die Hände auf die Brust. »Gotthardt weiß, dass du hier bist«, stieß sie hervor.
Alena stellte den Korb zu ihren Füßen ab. Tausend Nadeln stachen in ihren Rücken. »Bist du sicher?«
Änni nickte. »Er ist mir wohl einmal bis hierher gefolgt. Nun will er wissen, wo du Gabriel verborgen hältst. Gestern wollte er das Versteck aus mir herauspeitschen. Aber ich habe ihm nichts gesagt.« Dicke Tränen kullerten über Ännis Wangen.
»Er hat dich geschlagen?« Alena riss voller Entsetzen die Augen auf.
»Ja, aber zum Glück nur einmal. Dann kam Mergh dazu. Sie hat ihn zurückgepfiffen.«
»Das darf doch nicht wahr sein.« Alena zog ihre Freundin in die Arme und drückte sie an sich. »Und nun?«
»Leni, lass uns zu Gülich gehen. Bitte! Sofort! Er hat doch gesagt, dass ich zu ihm kommen soll, wenn Gotthardt mich schlecht behandelt.«
»Ja, das stimmt. Aber was soll er dagegen unternehmen? Er wird ihn kaum verhaften lassen, weil er eine Magd geprügelt hat. Außerdem kann ich hier nicht einfach fort. Änni, du darfst auf keinen Fall nach Hause zurückkehren.«
»Wo soll ich denn hin? In den Rundbögen der Stadtmauer schlafen und vor Hunger sterben? Nein, Leni, da ertrage ich lieber ein paar Hiebe mit der Peitsche. Vertrau mir, ich werde nichts verraten. Aber lass uns trotzdem zu Gülich gehen, ja?«
»Ich könnte fragen, ob du hier auf dem Hof als Magd arbeiten kannst.«
»Das geht nicht. Ich weiß nicht, wie du das aushältst. Mir jedenfalls graut es vor den Siechen.« Änni senkte den Blick. »Gülich wird mir schon helfen.«
»Also gut, mal sehen, ob ich zum Einkaufen in die Stadt gehen darf. Warte hier! Ich versuche mein Glück bei der Verwalterin.«
Kurze Zeit später stand Alena mit hängenden Schultern vor ihrer Freundin.
»Du darfst nicht fort, oder?« Änni blickte sie traurig an.
»Die Krähe erlaubt es nicht«, schimpfte Alena. »Es ist unglaublich, wie sich dieses faule Weibsstück aufführt. Selbst wenn die Arbeit überhandnimmt, rührt sie keinen Finger. Aber beim Kommandieren ist sie immer die Erste.«
»Lass gut sein, Leni. Dann eben nicht.«
Alena dachte einen Augenblick lang nach. »Warum gehst du nicht allein zu Gülich? Du bist doch pfiffig und weißt, was du sagen musst.«
Eine zarte Röte überzog Ännis Wangen. »Meinst du?«
Ȁnni?
Weitere Kostenlose Bücher