Die Magd und das Teufelskind: Historischer Roman (German Edition)
still!«, zischte die Bäuerin.
In der Eile blieb Alena nichts anderes übrig, als Gabriel das Haar zu verdecken und ihn wieder an die Brust zu legen.
Gerade als sie das Tuch um sein Köpfchen gelegt hatte, betrat Pater Cornelius die Stube.
»Gott zum Gruße. Ist die Bäuerin nicht da?« Neugierig betrachtete er Alena und das Kind.
»Hier bin ich!« Mettel eilte die Stiegen herunter.
Der Blick des Paters haftete auf dem trinkenden Kind. Ein Lächeln umspielte seine Lippen.
Alena schämte sich, mit entblößter Brust vor dem Geistlichen zu sitzen, und wandte ihm rasch den Rücken zu. Sie hoffte, der Pater würde seiner Wege gehen, noch ehe Gabriel satt war. Sie warf einen Blick über die Schulter und sah voller Entsetzen, dass er sich an dem Tisch niedergelassen hatte. Siedend heiß brach ihr der Schweiß im Nacken aus. Über der Stuhllehne hing der Siechenmantel.
»Was führt Euch zu mir?« Die Bäuerin stellte einen Krug auf den Tisch. »Ich kann Euch leider nur verdünntes Bier anbieten. Ihr wisst von unserer Armut, Hochwürden.«
»Du warst nicht in der Messe. Ist alles in Ordnung?«
»Es geht mir gut, wie Ihr seht. Es ist die Arbeit, die mich fernhält.«
»Du hast Besuch, und ich kenne die junge Frau doch schon. Woher kommt sie?«
Mettel stöhnte auf. »Was bin ich froh, dass Ihr nicht neugierig seid. Aus Wedersdorf stammt sie. Doch was geht das Euch an? Trinkt Euer Bier und haltet mich nicht von der Arbeit ab.«
Gabriel spuckte die Warze aus und gluckste zufrieden. Rasch bedeckte Alena ihre Brust. Was sollte sie nur tun? Sie musste sich auf den Weg zu Gülich machen. Die Zeit lief ihr davon. Sie konnte nicht warten, bis der Pater sich verabschiedete.
Hastig erhob sie sich und hielt Gabriels Köpfchen fest umschlossen. »Verzeiht, aber ich muss mich sputen. Mein Gemahl erwartet sonntags eine pünktliche Mahlzeit.«
Mettel schaute sie mit offenem Mund an. Sie dachte sicher an die Münzen, die sich in Alenas Schürze befanden.
Zum ersten Mal, seit sie auf dem Leprosenhof arbeitete, lief Alena ohne den Siechenmantel durch die Kölner Gassen. Gabriel drückte sie an ihre Brust. Ein Gefühl der Freiheit strömte durch ihre Adern, und sie genoss den Augenblick. Sie war Mutter, keine Leprosenmagd, die ihr Kind verstecken musste, weil sie eine Hure des Satans war.
Knarzend öffnete sich das schwere Tor zwischen den hohen Mauern des Klosters in der Lungengasse. Der Abt steckte den Kopf mit der Tonsur durch den Spalt und beäugte Alena vom Scheitel bis zu den Füßen.
Sie machte eilig einen Knicks. »Seid gegrüßt, ehrwürdiger Abt. Ich bitte, dem Nikolaus Gülich einen Besuch abstatten zu dürfen.«
»Was willst du von ihm, Mädchen?«
»Ich bin die Magd eines Siechen, der auf dem Leprosenhof lebt. Er hat mich gebeten, nach Gülich zu sehen.« Alena hoffte darauf, dass der Abt ihr Glauben schenkte. Sie wusste nicht, was sie tun sollte, wenn er sie fortschickte.
Der Abt machte keinerlei Anstalten, sie ins Innere des Klosters zu bitten. Stattdessen strich er sich nachdenklich mit dem Finger über die Nase.
»Bitte, Ihr müsst mich zu Gülich lassen. Es ist dem Mann auf Melaten ein großes Anliegen. Er ist mit dem Aussatz genug gestraft.«
»Meine Tochter, ich sehe, dass es dir ein großes Bedürfnis ist, dem armen Lazarus vom Hof einen Gefallen zu erweisen. Gott wäre an meiner Stelle gnädig, also will auch ich barmherzig sein.«
Alena folgte dem Abt in die Klostermauern. Der Weg führte an der Kapelle vorbei, aus der monotoner Gesang schallte. Hinter dem Garten, in dem die Äpfel reiften, lag das Haus der Verwirrten. Der Abt hob den Bund mit den Schlüsseln, der mit einer Kordel an seiner Kutte befestigt war, und öffnete die Tür.
Alena atmete die stickige Luft ein. Die Sonnenstrahlen hatten Mühe, sich durch die staubigen Fenster einen Weg zu bahnen. Das fahle Licht konnte kaum den Korridor erhellen, auf dem sich rechts und links eine Tür an die andere reihte. Schiefer Gesang war zu hören, dann Gezeter und Gepolter, als würde jemand das Mobiliar durch eine der Zellen schleudern. Eine eiskalte Faust umklammerte Alenas Herz.
Der Abt blieb vor der letzten Tür im Korridor stehen und schob einen Schlüssel in das rostige Schloss. Nachdem er ihn zweimal gedreht hatte, stieß er die Tür auf und ließ Alena in die Zelle treten. »Aber nur für ein paar Minuten.«
Alena nickte. Sie hatte ohnehin nicht viel Zeit.
Gülichs Gesicht wirkte fahl in dem dämmrigen Licht. Sein sonst sorgfältig
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