Die Magd und das Teufelskind: Historischer Roman (German Edition)
bereits geahnt, welches Ende die Unruhen im Rat nehmen würden, wenn der Pöbel in Gestalt des Nikolaus Gülich genügend Gehör fand. Wie gut, dass sie nicht lange gefackelt hatte! Nun sorgten also die Kaiserlichen für Recht und Ordnung. »Wie hat Öttingen sich denn zu der Lage in der Stadt geäußert?«
Honthumb schnüffelte an dem Tabak. »Er hat sich die Berichte der Inquisition bringen lassen und gelangte zu dem Schluss, dass dem aufmüpfigen Volk zu viel Gehör geschenkt wird. Die Arrestierung der Bürgermeister heißt er nicht gut. Schließlich dürfe man die Stadtoberhäupter nicht einfach einsperren, nur weil der gemeine Pöbel danach schreit. Er will die Akten nun ganz genau studieren.«
»Aber was ist mit Gotthardt?«
»Er ist gegen eine Kaution von 100 Reichstalern freizulassen. Öttingen fand es geradezu absurd, dass man ihn seiner Bürgerrechte beraubt, obwohl keine der Anklagen durch rechtmäßige Zeugen untermauert wurde.«
Mergh schlug das Kreuzzeichen. »Grundgütiger! Das ist der schönste Tag meines Lebens.«
Schlecht sah er aus, ihr Junge. Mergh nahm Gotthardts Bündel entgegen und führte ihn aus der Zelle, in der es erbärmlich nach Ausscheidungen stank. Seine Augen waren blutunterlaufen, und die Haare standen wirr vom Kopf ab. Auf seinen Beinkleidern zeichnete sich im Schritt ein gelber Kranz ab. »Wie siehst du nur aus, mein Sohn?« Hätte er nicht so erbärmlich gestunken, hätte sie ihn in die Arme genommen. So aber zog sie es vor, zu warten, bis er zu Hause ein Bad genommen und saubere Kleider angelegt hatte.
Als Mergh gemeinsam mit Gotthardt das Haus betrat, wischte Änni gerade die Stiegen. Die Magd hielt inne und hielt Maulaffen feil.
»Was glotzt du so?« Mergh nahm den Hut ab. »Lass meinem Sohn ein Bad ein, aber flott! Anschließend hilfst du in der Küche. Ein Festmahl soll heute aufgetragen werden.«
Wie eine Glocke legte sich die Schwüle über den Leprosenhof. Unerträglich hingen die Ausdünstungen aus den Kleidern der Siechen und Alten in der Luft.
Alena wischte sich mit dem Ärmel über die Stirn und drückte die Wäsche mit dem Schlegel tiefer in den Bottich. Seit Änni ihr vor zwei Wochen erzählt hatte, dass Gotthardt aus der Haft entlassen worden war, schien die Zeit so gut wie stillzustehen. Änni fühlte sich nicht länger von ihm bedroht. Er starrte offenbar nur noch apathisch vor sich hin. Alena beruhigte das jedoch nur bedingt. Durch die Anwesenheit des Reichshofrates Öttingen ruhten die Untersuchungen der Inquisition. Niemand wollte es sich mit den Kaiserlichen verscherzen, und Gülich hatte einen Maulkorb verpasst bekommen. Im Leprosenhaus gab sich das Verwalterehepaar derweil weiter der Völlerei hin, und von dem Hospitalmeister fehlte jede Spur. Der Lohn war Alena zum Glück nicht gekürzt worden, so dass sie Mettel weiterhin das Kostgeld für Gabriel zahlen konnte.
Plötzlich bemerkte Alena, wie durstig sie war. Sie warf einen prüfenden Blick in den Bottich und verließ die Waschküche, um sich in der Wirtsstube einen Krug Bier zu holen. Auf der Schwelle zum Gastraum blieb Alena abrupt stehen.
Diederich hatte sich mit den Händen auf den Tisch gestützt, an dem Fyen und Bloitworst saßen. Lallend lamentierte er über das Unheil, das die Dämonen über die Menschheit brachten.
Alena hielt den Atem an. Fyen hatte bemerkt, dass sie reglos in der Tür stand. Die Sieche blickte kurz zu Diederich, dann wieder zu ihr und verdrehte die Augen.
»Die Magd … ihr wischt schon … die mit dem blonden Haar … ist auch so … so …« Der Schellenmann verlor den Halt, kippte leicht zur Seite, fing sich dann aber. »Eine Huhure … ja … eine verdammte Hure des Schatans …«
Fyen fächelte sich mit der Hand Luft zu. »Diederich, du stinkst, als hättest du in einem Weinfass gebadet. Vielleicht schläfst du erst einmal deinen Rausch aus. Anschließend darfst du uns gern von Satan und seiner Hure erzählen.«
Die Hände vor der Brust verschränkt, lehnte Bloitworst sich auf seinem Stuhl zurück und streckte den kranken Fuß von sich. »Fyen hat recht. Du kannst ja nicht einmal mehr gerade stehen.«
»Außerdem warst du schon lange nicht mehr mit deiner Büchse unterwegs.« Fyen schnippte mit den Fingern.
»Isch … bin immer noch krank … mein Bein … du weischt doch.« Diederich beugte sich zu Fyen hinunter.
Die Sieche schob ihn an der Schulter von sich. »Nichts weiß ich! Und nun sieh zu, dass du in deine Kammer kommst.«
Der
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