Die Magd von Fairbourne Hall
Brauen. »Was ist heute Morgen nur in Sie gefahren? Sie stehen ja förmlich unter Strom!«
»Entschlossenheit«, knirschte Nathaniel, der ebenfalls keuchte.
»Mich umzubringen? Was habe ich seit gestern getan, um Sie so zu verärgern?«
Nathaniels einzige Antwort bestand darin, den Säbel erneut zu erheben und den Kampf fortzusetzen. Er machte einen Ausfall und stach wieder und wieder zu. Sein Gelenk und seine Finger begannen zu schmerzen, seine Beinmuskeln brannten vom Federn auf der Stelle und dem mörderischen Tempo. Der Schweiß floss ihm über Gesicht und Rücken, das Hemd klebte an seiner feuchten Haut. Er machte abermals einen Treffer und die beiden Männer pausierten, um zu Atem zu kommen.
Nathaniel schüttelte sich das schweißnasse Haar aus der Stirn. Unterbrochen von keuchenden Atemzügen sagte er: »Erzählen Sie mir noch einmal, warum Sie das neue Hausmädchen eingestellt haben!«
Hudson verzog überrascht das Gesicht. »Ich habe es Ihnen doch schon gesagt, Sir. Um ihre Freundlichkeit zu vergelten.«
»Sie sagten, Sie hätten sie erkannt.«
»Ja, aus London, aus der Nacht des Schiffsbrands. Als wir uns verirrt hatten.«
»Hatten Sie sie vorher schon einmal gesehen?«
»Nein, Sir. Wo hätte ich sie denn sehen sollen?«
Hudson hatte sie gar nicht sehen können. Er dachte schon wieder unlogisch. Miss Macy musste noch ein kleines Mädchen gewesen sein, als Hudson England verlassen hatte.
»Egal.«
»Haben Sie sie denn erkannt, Sir? Von früher, meine ich?«
»Nein«, sagte er. »Sie erinnert mich einfach an jemand, das ist alles.« Aber Gott helfe mir, wenn ich mich irre.
Nathaniel kämpfte sich durch die Morgenandacht und versuchte, sie nicht anzusehen. Er würde sie nicht vor den Augen der Dienerschaft anstarren und sie und sich selbst in Verlegenheit bringen. Wie konnte er es bewerkstelligen, sie aus der Nähe zu betrachten? Natürlich konnte er sie hinter der geschlossenen Tür eines der Schlafzimmer in die Ecke drängen, wenn sie die Betten machte oder was auch immer die Hausmädchen taten, um aufzuräumen, doch dann würde es Getuschel geben. Getuschel, das es ihr schwer machen würde zu bleiben, nachdem er sich versichert hatte, dass er sich irrte. Außerdem mochte er den Gedanken nicht, sich an sie anzuschleichen, wenn sie arbeitete; das hatte er bereits ein- oder zweimal unabsichtlich getan und sie jedes Mal zu Tode erschreckt.
Aber welchen Grund konnte er Mrs Budgeon nennen, das Mäd chen zu einer privaten Unterredung zu ihm in die Bibliothek zu schi cken?
Er entließ die Leute; dann wandte er sich an die Haushälterin: »Mrs Budgeon, ich würde gern kurz mit dem neuen Hausmädchen sprechen, wenn es Ihnen recht ist.«
Mrs Budgeon wirkte betroffen. »Was hat sie denn getan? Ich weiß, dass ich am Anfang gar nicht begeistert von ihr war – sie hatte nicht die geringste Erfahrung. Aber sie hat sich sehr verbessert. Es tut mir leid, wenn Sie enttäuscht von ihr sind, Sir.«
»Nein, gar nicht. Nichts dergleichen. Mr Hudson hat mir von einer großen Freundlichkeit berichtet, die sie uns erwiesen hat, bevor sie hierherkam. Deshalb hat er sie überhaupt eingestellt. Aber ich habe ihr noch nicht persönlich gedankt und das möchte ich gern nachholen.«
Mrs Budgeon zögerte. »Ich würde ihr gerne eine Nachricht weiterleiten, Sir, wenn Ihnen das lieber ist.«
»Danke, aber ich möchte es lieber selbst tun.«
»Natürlich, Sir.« Sie brachte ein wenig überzeugendes Lächeln zustande und zog sich zurück. Zweifellos dachte sie irgendetwas wenig Appetitliches. Nun, er konnte es nicht ändern, er konnte ihr schließlich nicht sagen, warum er das neue Hausmädchen wirklich sehen wollte.
Zwei Stunden später stand er in der Bibliothek und beobachtete die junge Frau, die hereinkam. Sie hatte die Hände ineinander verkrampft und hielt den Kopf gesenkt, ohne aufzublicken. Ihr Gesicht oder das, was er unter dem dunklen Pony davon sehen konnte, war blass.
Sie sagte nichts und einen Moment lang schwieg er ebenfalls. Wie sollte er anfangen?
Sie biss sich auf die Lippen und rang beinahe die Hände. »Sie wollten mich sehen, Sir?«
Ihre Stimme zitterte – war es ihre Stimme? Schwer zu sagen bei dem ihm so fremden Akzent.
»Du bist nicht in Schwierigkeiten, Nora. Du kannst ganz ruhig sein.«
Sie warf ihm einen kurzen Blick zu. Sein Herz zog sich zusammen, als er ihr Gesicht sah. Herr, schenk mir Klarheit des Geistes.
»Tritt näher, bitte. Ich will dir nichts Böses.«
Ihre Kehle
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