Die Magd von Fairbourne Hall
sich selbst den Dichter-Piraten nennt?«
»Das habe ich tatsächlich, Sir. Auf seine Gefangennahme ist eine Belohnung ausgesetzt.«
»Ich weiß«, sagte Nathaniel trocken. »Ich bin der Mann, der die Belohnung ausgesetzt hat.«
Tompkins wirkte skeptisch, fast amüsiert. »Sie erwarten doch nicht, dass ich glaube, dass der Dichter-Pirat der Täter war?«
»Warum nicht? Der Name des Mannes ist übrigens Abel Preston. Er hat mein Schiff in Brand gesetzt und mich bestohlen – warum sollte er nicht auch auf meinen Bruder schießen?«
Er konnte die amüsierte Herablassung des Mannes förmlich spüren. Wahrscheinlich machte er auf ihn den Eindruck, als griffe er nach jedem Strohhalm, um den Verdacht von sich abzulenken. Flüchtig zog er in Erwägung, noch Sterling Benton zu erwähnen und zu erzählen, wie Lewis den Mann provoziert hatte, indem er gedroht hatte, mit seiner reichen Stieftochter durchzubrennen, doch dann entschied er sich dagegen.
Tompkins schüttelte den Kopf. »Ich werde darüber nachdenken, Sir. Aber da ich nun schon einmal hier bin, würde ich gern noch mit dem Kammerdiener und dem Hausmädchen sprechen, die Sie erwähnt haben. Wie war doch gleich ihr Name?«
Nathaniel wünschte, er hätte nichts gesagt, doch wenn er sich jetzt weigerte, ihren Namen zu nennen, würde er damit nur beide verdächtig machen. »Sie heißt Nora, aber ich bezweifle, dass sie Ihnen mehr sagen kann, als ich bereits gesagt habe.« Er runzelte die Stirn. »Ich bin überrascht, dass Sie nicht schon bei Ihrem ersten Besuch mit Lewisʼ Kammerdiener gesprochen haben. Er ist schließlich der einzige Zeuge der Ereignisse jenes Morgens und ich hätte gedacht, dass er ganz oben auf Ihrer Liste der zu Vernehmenden steht.«
Zum ersten Mal schien sein unerbittliches Gegenüber sich ein wenig unbehaglich zu fühlen. »Ich … ich gebe Ihnen recht, Sir. Es war ein Versehen, das ich hiermit nachhole, wenn Sie so freundlich wären, uns ein Gespräch zu ermöglichen.«
»Gern. Ich lasse ihn sofort rufen.« Nathaniel drehte sich um. Innerlich seufzte er erleichtert auf, weil er hoffte, Mr Tompkinsʼ Aufmerksamkeit erfolgreich von einem ganz bestimmten Hausmädchen abgelenkt zu haben. An der Tür wandte er sich noch einmal um. »Wenn Sie herausgefunden haben, wer meinen Bruder angegriffen hat, würde ich es gern erfahren.«
Die Augen des Mannes glitzerten. »Das kann ich mir vorstellen, Sir.«
Sein wissendes Lächeln ärgerte Nathaniel, doch er hielt es für besser, sein aufbrausendes Temperament, das ihn offensichtlich bereits in irgendjemandes Augen zum Verdächtigen gemacht hatte, diesmal zu zügeln.
Margaret betrat das Haus gemeinsam mit Fiona durch den Dienstboteneingang. Die Irin trug einen Korb mit frischer Wäsche, die sie aus dem Waschhaus geholt hatte, und Margaret hatte einen bunten Strauß Chrysanthemen im Arm – die letzten dieses Jahr, hatte Mr Sackett gesagt.
»Nora.«
Margaret blickte auf. Im Flur stand Connor, totenblass, Schweißperlen auf der Stirn.
Sie blieb abrupt stehen. »Was ist?«
»Ein Mann will dich sprechen. Im Morgenzimmer.«
»Wer?«
»Ein Mr Tompkins. Er untersucht Mr Lewisʼ … Situation.«
Sie war verwirrt. »Weiß Mr Upchurch Bescheid?«
Er nickte. »Er hat mich rufen lassen. Tompkins hat gesagt, er wollte zuerst mich sprechen und dann dich.«
Sie wusste, dass Nathaniel unbedingt herausfinden wollte, wer sich mit seinem Bruder duelliert hatte. Trotzdem war sie überrascht, dass irgendjemand glaubte, sie könnte dazu irgendwelche Informationen beisteuern.
Sie legte Connor eine Hand auf den Arm. »Es tut mir leid, dass du das alles jetzt noch einmal durchleben musstest.«
Er nickte, die Augen niedergeschlagen, und ging.
Fiona wechselte den Korb auf die andere Hüfte und streckte die Hand nach den Blumen aus. »Ich bringe sie in den Destillierraum und stelle sie für dich ins Wasser.«
»Danke, Fiona.«
Margaret ging hinauf, durch den Anrichtraum und am Esszimmer vorüber in den vorderen Teil des Hauses. Sie spürte, wie sie feuchte Handflächen bekam, und wischte sie an ihrer Schürze ab. Sie hatte keinen Grund, nervös zu sein, sagte sie sich. Doch ihr heftig klopfendes Herz ließ sich nicht beruhigen.
Sie betrat das Morgenzimmer, die Hände fest ineinander gekrampft. Der Mann saß an dem kleinen Tisch, den kahlen Kopf über den Tee gebeugt, den ihm jemand gebracht hatte. Betty oder Mrs Budgeon höchstwahrscheinlich.
Er blickte auf und sie zuckte zusammen. Kannte sie ihn? Oder war
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