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Die Magd von Fairbourne Hall

Die Magd von Fairbourne Hall

Titel: Die Magd von Fairbourne Hall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Klassen
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nur noch schemenhaft wahrzunehmen und verschwand gleich darauf hinter einer Reihe vertäuter Fregatten.
    Nathaniel rannte noch einmal den Landungssteg hinauf; er hörte zwar, dass Hudson ihm mit schwacher Stimme nachrief, er solle stehen bleiben, aber er ließ sich nicht aufhalten. Er kämpfte sich vor in das, was von der Kapitänskajüte noch übrig war, und griff nach allem, was irgendeinen Wert für ihn besaß – sei es in materieller oder in emotionaler Hinsicht. Um ihn herum toste das Feuer. Das Deck unter ihm wölbte sich auf und brach dann ein. Dann steckte er noch einen letzten Gegenstand ein – das Einzige, was er von ihr hatte. In dem Moment, als er aus der Kabine taumelte, stürzte sie endgültig ein. Links von ihm fiel eine Wand in sich zusammen und verletzte ihn an der Stirn.
    Aber er ließ den Gegenstand nicht los.

    Am selben Abend saß Margaret nachdenklich an Peg Kittelsons offenem Fenster, die Ellbogen auf das Sims gestützt, mit dem Rücken zu der deprimierenden Kammer hinter ihr mit den Bergen von Näharbeiten, dem Geplapper und Geschrei der Kinder und den kargen Mahlzeiten. Tief atmete sie die Luft ein, die frischer war als der abgestandene Mief im Zimmer, auch wenn sie nach dem nahe gelegenen Fluss roch. Sie versuchte vergeblich, sich unter der Perücke zu kratzen, und wünschte, sie hätte sich einen der extra dazu gedachten Perückenkratzer eingepackt. Das Sträßchen unter ihr, das übersät war von Papierfetzen und Pferdekot, war relativ ruhig, verglichen mit dem Aufruhr hinter ihr.
    Sie überlegte, ob sie doch noch einmal versuchen sollte, Kontakt zu Emily aufzunehmen. Sie könnte noch einen oder zwei Tage warten und dann in ihrer Verkleidung am Dienstboteneingang klopfen. Oder lag womöglich ihr Verfolger immer noch auf der Lauer und befragte alle Besucher?
    An der Straßenecke hockten drei junge Burschen im Eingang eines Pubs. Der eine, ein wahrer Koloss von einem Mann, warf Kieselsteine in die Gosse, sein dünner Kumpan schnitzte irgendetwas und ließ die Späne einfach auf die Straße fallen, und der Dritte saß, alle viere von sich gestreckt, den Kopf gegen die Wand gelehnt, in bierseliger Betrunkenheit neben ihm.
    »Komm vom Fenster weg, Mädchen«, flüsterte Peg. »Du willst doch nicht, dass sie dich sehen. Das ist richtiges Lumpenpack.«
    Margaret wollte ihren Rat gerade befolgen, als sie von unten Hufgeklapper und Räderrollen vernahm. Eine schwarze, von zwei Pferden gezogene Kutsche bog um die Ecke. Das geschlossene Gefährt, dessen Lampen wie Leuchtfeuer brannten, passierte die Bierkneipe; es nahm fast die ganze Breite der schmalen Gasse ein.
    Joan, die über ihre Schulter aus dem Fenster blickte, meinte: »Genauso gut hätten sie ein großes Schild anbringen können: Bitte raubt uns aus!«
    Joan und Peg zogen sich ins Zimmer zurück, doch Margaret blieb am Fenster stehen. Die Equipage und die Pferde waren viel zu vornehm für dieses Viertel. Der Mann an den Zügeln, ein kräftiger Typ Mitte vierzig, sah nicht wie ein Kutscher aus. Er trug weder einen Kutschermantel noch den üblichen Zylinder.
    Aus unerfindlichen Gründen hielt die Kutsche unten vor ihrem Haus. Der Fahrer zurrte die Zügel fest und kletterte etwas umständlich vom Wagen. Er öffnete den Schlag und beugte sich hinein. »Alles in Ordnung, Sir?«
    Die Antwort hörte sie nicht.
    Margaret spähte an dem Kutscher vorbei zu dem Pub an der Ecke. Wie sie befürchtet hatte, waren die drei Taugenichtse ebenfalls aufmerksam geworden. Der Dünne hatte sein Schnitzen eingestellt. Der schwarzhaarige Riese saß ganz still, den Blick unverwandt auf die Kutsche gerichtet, die Nase erhoben wie ein witternder Spürhund. Er stand langsam auf und bedeutete seinem Gefährten, ihm zu folgen. Im Vorübergehen stieß er den dösenden Jugendlichen mit dem Fuß an.
    Die Angst jagte Margaret einen Schauder über den Rücken; ihr Magen krampfte sich zu einem Knoten zusammen.
    Sie blickte wieder zu dem Fahrer hinüber, dessen Kopf und Schultern noch immer im Wagen steckten. Er hatte gar nicht mitbekommen, in welcher Gefahr er sich befand.
    »Hallo?«, rief sie hinunter, doch es war nur ein angespanntes Flüstern, mit dem sie sich Gehör zu verschaffen suchte. Sie bekam kaum mit, dass Peg sie vom Fenster wegziehen wollte. »Hallo, Sie da unten!«, zischte sie noch einmal, wagte jedoch nicht, laut zu rufen. Sie wollte die Aufmerksamkeit der drei Männer nicht auf die Wohnung der armen Peg lenken. Erst dann fiel ihr ein, dass sie ihre Stimme

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