Die Magd von Fairbourne Hall
Gesellschaftsräume aufräumen: den Wintergarten und den Salon im hinteren Teil des Hauses, Salon und Bibliothek auf der einen Seite des Vordereingangs, Morgenzimmer und Esszimmer auf der anderen. Und das alles vor dem Frühstück.
Margaret fielen die eleganten hohen Zimmer und das kostbare Mobiliar auf, aber sonst bemerkte sie nicht viel, denn sie hatte zu viel damit zu tun, Betty zu beobachten und zu bewundern. Betty arbeitete zügig und effizient, ohne Kraftverschwendung und ohne sichtbare Anstrengung. Margaret wünschte sich, sie hätte ein Notizbuch; sie war sich nämlich keineswegs sicher, dass sie alles behalten würde.
Ein kräftiger, würdig aussehender Mann im schwarzen Rock und der Hose eines Gentleman, das dunkle Haar zurückgekämmt, betrat die Bibliothek. Betty stellte ihn ihr als Mr Arnold, den Zweiten Butler, vor. Er begrüßte Nora und prüfte, wie weit sie gekommen waren, indem er im Vorübergehen mit einem weißen Handschuh über die Möbel fuhr.
Um acht Uhr gingen Margaret und Betty ins Souterrain und über den spärlich erleuchteten Flur ins Dienstbotenzimmer, um zu frühstücken. Für Margaret war es keine Sekunde zu früh. Vom Brot und dem Käse von gestern Abend war längst nichts mehr zu spüren. Sie presste eine Hand auf ihren revoltierenden Magen. Dieses nagende Unbehagen war bis vor Kurzem eine völlig unbekannte Empfindung für Margaret Macy gewesen – eine, die sie jetzt als Hunger identifizierte, auch wenn sie diesen angesichts der regelmäßig aufgetischten reichlichen Mahlzeiten – vom späten Frühstück, Zwischenimbiss, Tee, frühem Abendessen im Kreis der Familie bis zum Spätimbiss – kaum je verspürt hatte.
Das Dienstbotenzimmer war ein schmaler, rechteckiger Raum, dominiert von einem langen Tisch mit je einem Stuhl an den beiden Schmalseiten und Bänken an den Längsseiten. Rechts von der Tür hingen an Haken mehrere Jacken und Schürzen. An der einen langen Wand stand ein Herd, in dem im Moment allerdings kein Feuer brannte; an der anderen hing eine gestickte Tafel, auf der zu lesen stand:
Ein guter Charakter steht jedem Menschen gut an,
besonders aber den Dienstboten.
Denn er ist ihr täglich Brot
und ohne ihn werden sie nie in eine achtbare Familie
aufgenommen werden.
Glücklicherweise hat es jeder selbst in der Hand,
einen hervorragenden Charakter zu entwickeln.
Am anderen Ende des Zimmers ließen mehrere hohe Fenster die helle Morgensonne herein. Eine Öllampe, die von der Balkendecke hing, sorgte für zusätzliches Licht. In der Ecke stand ein altes Klavier, sorgfältig abgedeckt und stumm. Wie großzügig von der Familie Upchurch, es der Dienerschaft zur Verfügung zu stellen. Sie fragte sich, wer es wohl spielte.
Sie setzte sich auf ihren Platz auf eine der Bänke neben Betty und Fiona, dem spitznasigen Hausmädchen, das ihr gestern Abend Wasser und etwas zu essen gebracht hatte. Zwei Küchenmädchen stellten sich ihr vor, aber Margaret konnte sich ihre Namen nicht merken.
Auf der anderen Seite des Tisches saßen zwei gut aussehende junge Lakaien in Livree; sie machten mürrische Gesichter und beachteten weder sie noch die anderen Mädchen. Es war ein seltsames Gefühl, so völlig von Männern ignoriert zu werden. Der gravitätische Zweite Butler, Mr Arnold, dem sie oben bereits begegnet war, ging ans Kopfende des Tisches, um sich dort hinzusetzen, doch im letzten Moment schien er es sich anders zu überlegen und ließ sich auf der Bank rechts neben dem Stuhl nieder. Mehrere Dienstboten wechselten befremdete Blicke, doch niemand wagte, etwas zu sagen.
Der Tisch war mit Silberbesteck und Porzellan gedeckt – nicht dem feinsten, aber immerhin Porzellan. Auf den Brottellern lagen Buttermesser, daneben standen massive Becher. In einer Ecke waren ein Küchenbrett mit frisch gebackenem Brot, ein Topf mit Marmelade, Butter und ein Krug Milch bereitgestellt. Auf einem Dreifuß stand eine Kanne heißer Tee. Ein weiteres Mädchen kam herein, eine mollige junge Frau mit einem Lächeln, das so breit war wie ihre Figur. Sie stellte eine Schüssel Porridge auf den Tisch, setzte sich dann neben Margaret, nannte ihr ihren Namen, Hester, und sagte, sie sei das Destillierraum-Mädchen. Ein junges Spülmädchen und ein Laufjunge hasteten herein, stellten Teller mit Würstchen und aufgeschnittenen Tomaten und eine Schüssel mit gekochten Eiern hin und verschwanden wieder.
Ein großer, dünner Mann in weißer Jacke – ganz eindeutig der Koch – betrat den Raum zusammen mit
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