Die Maggan-Kopie
an der gegenüberliegenden Zimmerwand ang e bracht. Es lief gerade Werbung und Luise zappte von einem Programm zum nächsten. Endlich fand sie eine Talkshow, die ihr Interesse weckte.
Eine junge, rothaarige Frau mit grünem Kostüm und umwerfender Figur fra g te herausfordernd: „Aber meinen Sie nicht auch, Herr Anderson, dass es Einsatzgebiete geben könnte, die ein Segen für die Menschheit wären?“ Ihr Gegenüber war ein Mann mittleren Alters mit leicht ergrauten Schläfen, aber sportlicher Figur. Diese steckte in einem maßgeschneiderten, graublauen Anzug. Seine Augen blic k ten ernst in die Kamera.
„Solange ich Vorsitzender des Ethik-Ausschusses bin, wird es keine Gesetzesänderung diesbezüglich geben. Duplizieren von Menschen oder menschl i chen Teilen bleibt verboten!“
„Aber könnte nicht das Klonen menschlicher Teile, zum Beispiel Organen, ein großer Fortschritt in der Medizin sein, der dem Spenderorgan-Mangel Abhilfe schafft und somit vielen Patienten helfen könnte, Herr Abgeordneter Ande r son?“
„Genau!“, rief Luise kämpferisch und hob bekräftigend ihre schwache Faust.
Die junge Reporterin klopfte wichtigtuerisch einen Stapel Papiere auf dem kleinen Tisch zurecht und blickte dabei abwartend den Abgeordneten an.
„Sie wollen auf das sogenannte therapeutische Klonen anspielen“, antwortete A n derson. „Nun, selbst das ist ethisch nicht vertretbar, denn auch hierbei werden Embryos gezüchtet, nur um sie im Stadium von wenigen Zellen au s zuschlachten. Denn nur diese ersten Zellen – die Stammzellen – sind pluripotent und können sich in jede beliebige Zelle entwickeln. Also in Herz-, Mu s kel- oder Gehirnzellen. Das Gegenteil sind die Somazellen. Sie sind spezial i siert und können sich, falls sie überhaupt teilbar sind, nur in Zellen gleichen Typs teilen.
Die Wissenschaftler versuchten schon am Anfang unseres Jahrtausends Stammzellen aus Nabelschnurblut oder Knochenmark zu gewinnen. Dies g e lang und es wurde sogar ein Verfahren entwickelt, daraus Nerven-, Herzmuskel-, L e ber- und Knorpelzellen zu gewinnen. Doch es hat sich nicht bewährt. Die Forschung hat gezeigt, dass sich komplexe Organe nur in einem intakten Organi s mus vollständig entwickeln können. Außerdem wäre so ein Verfahren, wenn es funktionieren würde, so teuer, dass es sich nur die privilegierte Oberschicht leisten könnte, ein Herz oder eine Niere irgendwo in einem Reagen z glas zu hegen und zu pflegen, bis es irgendwann gebraucht würde. Statistisch gesehen, ist dieser Fall jedoch sehr unwahrscheinlich.“
Der Abgeordnete wischte sich mit einem Taschentuch über die Stirn. Die Kamera schwenkte über die Zuschauer. Einige machten zustimmende Gebä r den, doch viele schienen anderer Meinung zu sein.
„Die Reichen haben sicherlich irgendwo ein paar illegale Ersatzteile deponiert“, murmelte Luise mis s mutig.
„Das glaube ich nicht“, antwortete Maggan. „Er sagte doch gerade, dass es technisch nicht machbar ist.“ Luise zuckte die Achseln, schließlich war Maggan auch eine dieser Reichen. Und sie hatte nach kurzer Zeit ein neues Organ erhalten, wobei sie selbst schon so lange verge b lich darauf hoffte.
Maggan sagte nichts weiter. Sie wollte keinen Streit mit Luise. Sie spürte an Luises Blick, dass sie genau wusste, dass Maggan zu dieser privilegierten Obe r schicht gehörte. Doch sie war sich sicher, dass es nicht möglich ist, Organe zu züchten.
Über diese Forschungen, die Anderson erwähnte, hatte sie auch Berichte gel e sen. Sie beschrieben die Versuche, Organe mithilfe der Gentechnik zu züchten, doch es waren Fehlschläge. Es gab zwar zeitweilig Testreihen, die auf einen Erfolg deuteten, doch am Ende mussten die Wissenschaftler vor der Natur kap i tulieren. Der einzige Erfolg war ein Kunstherz aus einem Kunststoff, der viele Merkmale menschlichen Gewebes aufwies. Ein Herz ist ein relativ simples Organ und kann deshalb einfacher künstlich reproduziert we r den. Im Grunde ist es eine Pumpe.
Nieren dagegen sind viel komplexer. In ihnen finden hochkomplizierte, ch e mische Prozesse statt, die nicht so einfach simuliert werden können. Die wichtigste Funktion der Niere ist es, den Stoffwechse l haushalt des Körpers konstant zu halten. Dazu gehören der Flüssigkeitshaushalt, der Gehalt an Salzen – sog e nannten Elektrolyten wie Kalium, Natrium und Phosphor – und das Säure-Base-Gleichgewicht in den Zellen. Dies wiederum ist zum Beispiel wichtig für den Blutdruck. Denn durch die
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