Die Maggan-Kopie
sie sich, als käme sie nach Hause – es war auch ihr Zuhause. Andererseits war sie einige Wochen nicht hier gewesen, da konnte viel geschehen sein. Die Welt war schnelllebig. Ein Kribbeln durchfuhr ihren Magen. Sie fühlte sich wie ein Teenager, der zu seinem ersten Rendezvous mit dem größten Mädche n schwarm der Schule unterwegs war. Noch einmal zwang sie ihren Körper durch tiefe Atemzüge zur Ruhe und lenkte dann ihren Wagen in das Parkhaus gegenüber dem Kunstwerk aus Glas und Stahl, das sich, inmitten des Komplexes aus zwei- bis dreistöckigen Betonklötzen, majestätisch als Hauptgebäude erhob. Zw i schen den Gebäuden standen vereinzelte, gigantische Kiefern. Vor dem Hauptgebäude jedoch stand eine Reihe Zierki r schen mit exakt kugelig geschnittener Krone. Jetzt war es Ende August und die Bäume erstrahlten im vergehenden Grün des Sommers. Bald würden sich die Blätter gelb färben und den Ge h weg und die Straße bedecken. Doch im Frühjahr erstrahlten dann die Kugelkronen erneut im hellen, leuchtenden Lila der unzähligen gefül l ten Blüten.
Maggan schritt die zehnstufige Treppe hinauf, der gläsernen Eingangstür zu. Diese öffnete sich aut o matisch, als ihre Sensoren sie erfasst hatten und schloss sich mit einem leisen pneumatischen Zischen wieder hinter ihr. Vor ihr lag eine gigantische Halle. Der hochpolierte marmorne Boden enthielt in der Mitte das Symbol des Delta-Konzerns: ein Dreieck, das die Weltkugel en t hielt und um sie ein Kreis mit dem Mond darauf, der auf dieser Kreisbahn über der Erde schwe b te. Eine Intarsienarbeit aus buntem Fauske-Marmor. Drei Sitzgruppen, bestehend aus sandfarbenen Nubukledersesseln und kleinen runden Glastischchen mit Marmorsockeln, waren an der gegenüberliegenden Wand aufgestellt. Über ihnen schraubte sich eine gläserne Treppe empor, die zu den Lif t türen führte. Wenn jemand in eine der oberen Etagen wollte, kam er nicht umhin diese Treppe zu nehmen.
Abermals zeigte Maggan überflüssigerweise ihren Ausweis an der Empfangstheke vor und wurde erneut mit übertriebener Höflichkeit begrüßt und mit allen guten Wünschen für ihre Gesundheit dem Au f zug in die oberste Etage anvertraut. Schließlich war Maggan die Tochter des Chefs und Leiterin eines fünfköpfigen Teams in der Forschungsabteilung. Letzteres war zwar nicht so beeindr u ckend, doch ihr Vater stand auf dem Standpunkt, dass Maggan sich von unten nach oben hocharbeiten müsse und keine vorrangige Behandlung e r warten dürfe.
Mit einem Ping glitten die beiden Türflügel des Lifts zur Seite und Maggan trat auf den hellgrauen Teppich der Chefetage. An den weißen Wänden hingen zah l reiche Fotos von allen Gegenden der Welt auf denen fast überall ihr Vater zu sehen war. Meistens hatte er einen weißen Overall an und einen weißen Helm auf dem Kopf. Am Ende des Ganges zu ihrer Linken prangte eine gigantische Aufnahme des Schürfgebietes auf dem Mond, das Delta erworben hatte. Es war ein Teil der grauen, kraterreichen Oberfläche des Mondes zu sehen, auf der ein u n förmiges Gebiet mit einem roten Strich eingerahmt war.
Unter den Bildern standen schön arrangierte Grünpflanzen über denen künstliches Sonnenlicht ihr Wachstum anregte. Dazwischen standen crem e farbene lederne Sessel, auf denen aber selten jemand saß. Maggan drehte sich nach rechts. Heute war niemand auf dem sauberen, aber abschreckend steril wirke n den Gang zu sehen. Vorsichtig öffnete sie, ohne anzuklopfen, die Tür auf der Stirnseite des Ganges und steckte den Kopf durch die Öf f nung.
Frau Eckhard, die Chefsekretärin, blickte von ihrer Arbeit auf:
„Ah, Fräulein Maggan. Kommen Sie doch herein“, rief sie erfreut beim Anblick des unerwarteten Ga s tes aus.
Maggan ging hinein und gab ihr die Hand. Sie war Anfang sechzig, sah aber viel jünger aus. Ihr rotbraun gefärbtes Haar war hochgesteckt. Ein grünes Ko s tüm hob ihre frauliche Figur hervor. Ihr Gesicht sah gepflegt aus, jedoch nicht so künstlich verjüngt, wie das ihrer Mutter.
„Wie geht’s Ihnen, Angela?“, fragte Maggan.
„Die Frage ist doch wohl, wie es Ihnen geht!“, antwortete sie l a chend.
Angela Eckhard arbeitete schon seit der Zeit in Berlin als Sekretärin für Maggans Vater. Es war schon etwas ungewöhnlich, dass er so darauf besta n den hatte, sie mit nach Karlskoga zu nehmen. Hier gab es schließlich auch genug erfahrene Sekretärinnen. Doch Rune Svenson begründete es damit, dass er wenig s tens einen Mitarbeiter
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