Die Maggan-Kopie
malte Lan d schaftsaquarelle, die, dank ihrer Agentin, in vielen Großstadtbüros hingen. Davon konnte sie sich ihr erträumtes einfaches Leben finanzieren. Auch die Beziehung zu ihrem Freund Jan lief be s tens. Mercedes hatte einen Hang zu Romantik und schwärmte Maggan diesb e züglich von ihrer großen Liebe vor. Mit so etwas konnte Maggan jedoch nicht aufwarten, und ihre Arbeit war für Außenstehende auch nicht beso n ders interessant. Also ging ihr irgendwann der Stoff aus. Wenn sie ganz ehrlich war, musste sie auch zugeben, dass sie auf das Liebesglück ihrer Freundin ein w e nig neidisch war.
Doch jetzt war sie glücklich so eine Freundin zu haben – jemand, der nicht im Geringsten mit Delta in Zusammenhang stand.
Die Hütte
Sie fuhren weiter Richtung Norden. Zwischendurch besorgte Maggan ein paar belegte Brötchen. Eine Sorge waren sie zumindest los und das war Geld. Das „Bargeld“, das ihnen Mercedes geliehen hatte, würde einige Zeit ausre i chen. Sie haben es einfach auf die Chips ihrer gesamten Karten transferiert. Vielleicht h a ben sich, bis das Geld aufgebraucht ist, die Wogen geglättet und keiner würde mehr nach ihnen suchen. Doch wenn nicht, dann würden sie sie irgendwann fi n den. Schließlich war die Hütte in Messlingen nicht aus der Welt. Alle sonstigen Verstecke, die ihr noch in den Sinn gekommen waren, wie die Ferienhäuser ihres Vaters, waren zu weit weg und nur mit dem Flu g zeug zu erreichen. Doch auf den Flughäfen würden sie sicherlich zuerst s u chen.
Am Nachmittag erreichten sie die Schotterpiste, die von der Straße von Funäsdalen nach Bruksvallarna rechts Richtung Mittådalen abging. Die Orte w a ren fast menschenleer. Kaum jemand wohnte noch hier. Nur in Funäsdalen sah es noch wie in einer normalen Ortschaft mit Supermarkt, Schulen und Verkehr auf den Straßen aus. Sie machten einen Abstecher zum Supermarkt, um einige Lebensmittel einzukaufen. Die Straße führte westlich am Anåfjället vorbei. Auf der linken Seite erstreckte sich eine sumpfige Ebene. E i ne Menge kleiner Seen versteckte sich zwischen den birkenbewachsenen Hügeln. Dort hatten schon seit ewigen Zeiten Kraniche ihr Brutgebiet. Im Nordwesten ra g ten die Gipfel des Helag-Massivs empor. Der Rest seines Gletschers leuchtete weiß in der Sonne. Maggan hielt auf dem höchsten Punkt der Straße an und stieg aus. Hier hatte sie viele Sommer mit Mercedes verbracht, nachdem sie nach Karlskoga gezogen waren. Diese Sommer und Mercedes hatten ihr ein wenig über die Sache mit Kenny hinwegg e holfen.
Maggan streckte die Arme in die Luft und atmete die saubere erinnerungsreiche Luft in tiefen Zügen ein. Eine kleine Herde Rentiere trabte über die Wiese an einem verrotteten Rentierzaun entlang. Das Leittier hatte eine Gl o cke um den Hals, die fröhlich bimmelte. Sie gehörten zu den letzten kleinen Herden, die kommerziell genutzt wurden. Svenja betrachtete durch die inse k tenbesprenkelte Windschutzscheibe die Tiere auf der Wiese. Die Geweihe waren noch mit Bast bedeckt und er ließ diese groß und dick e r scheinen.
„Das sind Rentiere!“, rief Maggan überschwänglich in den Wagen hinein. Svenja lächelte. Sie war berauscht von der Weite der Welt. Ein Schritt hätte sie wankend gemacht. Also blieb sie in der kleinen ve r trauten Welt des Wagens sitzen. In sich fühlte sie Freude und gleichzeitig Furcht vor der unbändigen N a tur, vor den unbekannten Tieren und Pflanzen, vor dem Sumpf und den Bergen.
Zwanzig Minuten später lenkte Maggan den Wagen rechts in einen schmalen Pfad. Jetzt konnten sie die Hütte sehen. Sie stand auf einer Wiese über dem Nordufer des Sees. Er breitete sich zirka zweieinhalb Kilometer in Ostwestrichtung aus. An seiner breitesten Stelle war das Südufer ungefähr vie r hundert Meter entfernt, wo sich die tausend Meter des Kappruet erhoben. Die Wasseroberfläche lag bei etwas unter si e benhundertdreißig Metern. Das war in dieser Gegend schon sehr hoch, denn die Baumgrenze lag schon bei neunhundert Metern auf der Südseite der Berge. Die Nordflanken hatten bei schon wesentlich niedrigeren Höhen keine größere Vegetation mehr. Doch Maggan lie b te diese raue karge Fjell-Landschaft.
Sie parkte den Wagen vor der braunen Holzhütte. Über der mittleren Ei n gangstür hing ein knorriges, uraltes Rentiergeweih. Sie betraten sie jedoch durch die rechte Tür. Dort kam man nach einem kleinen Flur in die Küche. Hier war noch alles wie vor Jahrzehnten. Es gab kein Telefon, keine
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