Die Magie des Falken
die Tür gebildet und fochten mit dem Mut der Verzweiflung gegen eine Übermacht von Angreifern. Kyrrispörr hörte von der zweiten Tür her Gebrüll, aber es war ihm unmöglich, sich einen Überblick zu verschaffen. Sein Kinn wurde gegen Orms Rücken gedrückt, zugleich stieß sein Helm mit einem Klingen gegen die Nackenketten des Mannes hinter ihm; er sah Eyvinds Schwert in der Sonne aufblitzen und niedergehen. Kyrrispörr erhaschte durch die Lücke zwischen seinen Leibwächtern einen Blick auf die Tür, wo drei Mann unter einem gewaltigen Schlag wankten. Sie taumelten wie von einer Riesenhand getroffen beiseite. Aus dem Inneren des Hauses trat ein Hüne von einem Mann. Dämonisch blitzten Augen hinter dem Eisen seines Brillenhelmes, und in tellergroßen Fäusten hielt er eine langstielige Kriegsaxt angelsächsischer Art, die angesichts seiner körperlichen Masse wie ein Spielzeug wirkte. Kyrrispörr wurde von eisigem Schrecken ergriffen: Er kannte diesen Krieger. Es war Korbjörnr, einer der ergebenen Huskarls des Königs, der selbst in Friedenszeiten unter einem inneren Zorn erbebte wie andere nur im schweren Gefecht.
Korbjörnr schnaubte und trat ins Freie. Sogleich galt ihm die ungeteilte Aufmerksamkeit von Kyrrispörrs Leibgarde: Zwischen ihnen und dem Huskarl lagen nur wenige Schritte. Während er geradezu nachlässig die drei Seimenn mit einigen Axthieben von der Tür fortjagte, spannten sich Ormr und die anderen und maßen ihn mit berechnenden Blicken. Zwei weitere Huskarls traten aus dem Langhaus hervor und verwickelten die ihnen am nächsten stehenden Männer sogleich in heftige Kämpfe. Doch Korbjörn griff nicht an. Und dann stockte Kyrrispörr der Atem. Gold blitzte auf. Hinter Korbjörnr trat niemand anders als König Olafr Tryggvason hervor. Die Einlegearbeiten seines Helmes leuchteten in der Sonne wie Feuer, golden schimmerte auch der Kettenpanzer, der seinen mächtigen Leib schützte. In jeder Faust hielt er einen Speer. Der König sah nicht danach aus, als wäre er zum Zuschauen gekommen.
»Der König! Macht Kyrrispörr den Weg frei!«, schrie Eyvindr und griff an. Drei der Leibwächter schlossen sich ihm an. Kyrrispörr jedoch durchfuhr es wie Feuer, als er Tryggvason sah. Für einen Augenblick war er starr, dann zog er sein Schwert. Inzwischen hatten Olafr und seine Mannen Eyvind zurückgetrieben. Sie alle waren keine Schwächlinge, aber der König führte seine beiden Speere wie ein Besessener, und er stand seinem Begleiter an Kraft in nichts nach. Kyrrispörr hatte Olaf oft genug kämpfen sehen und wusste um seine Wucht, aber jetzt, wo er gegen Olaf stand, erschreckte sie ihn bis ins Mark. Er war so eingenommen davon, dass er gar nicht bemerkte, wie um sie herum der Kampf immer verbissener wurde: Olafs Mannen hatten den Kreis durchbrochen und verwickelten alle in Einzelkämpfe. Und nun, da drei seiner Leibwächter vorgeprescht waren, hinderte nur noch einer die Angreifer daran, auf Kyrrispörr einzudringen. Er gewahrte aus den Augenwinkeln eine Axt, zog unwillkürlich den Schild hoch und erbebte unter dem Schlag, als sie den Rand mit dem oberen Teil des Griffes traf. Ormr fuhr herum und ließ seine Kampfaxt über Kyrrispörrs Kopf gegen den Angreifer sausen, doch der hatte sich mit einem Sprung in Sicherheit gebracht. Ormr musste sich einem anderen Angreifer zuwenden, und Kyrrispörr sah sich erneut den Gegnern gegenüber. Er wehrte einen weiteren Hieb mit dem Schild ab, und feuriger Schmerz zuckte durch sein Handgelenk. Der ermüdete Arm zwang ihn, seine Deckung zu öffnen. Entsetzt sah er in das Gesicht eines Gegners, der nun beidhändig die Axt zum letzten Schlag hob. Kyrrispörr reagierte, ohne zu denken. Sein Schwert fuhr in einer ausholenden Bewegung hinter seinen Kopf, er schlug zu – »Nein!« – und Eyvindr Kelda fiel ihm in den Arm. Mit einem Stich setzte der Meisterseher den Angreifer außer Gefecht.
»Was auch immer geschieht, du darfst nicht leichtfertig Blut vergießen!«, herrschte er Kyrrispörr an und wandte sich wieder dem Kampf zu. Verzweifelt versuchte Kyrrispörr, sich im Schutz Orms auf den König zuzubewegen, aber das wurde immer schwieriger. Zwischen ihnen war eine Wand aus kämpfenden Männern beider Seiten.
Und dann fiel Ormr. Unter einem Speerstoß brach er zusammen. Plötzlich war der Fels seines Schutzes fort, und Kyrrispörr stand allein mitten im Getümmel. Vielleicht, weil er sich vor Schreck nicht regte, vielleicht, weil er das Schwert gesenkt hatte,
Weitere Kostenlose Bücher