Die Magier 01. Gefährten des Lichts - Six héritiers (Le Secret de Ji, Bd. 1)
warten, bis sich die Wogen geglättet hatten. Die Ereignisse der letzten Tage hatten Léti offenbar ziemlich zugesetzt.
Ihm blieb nur zu hoffen, dass sie sich bald wieder beruhigte.
»Rey! He, Rey, bist du’s? Rey!«
Rey stieß einen wüsten Fluch aus. Es war ihm gelungen, Lorelia unbemerkt zu verlassen, dem Lauf der Velanese bis hoch nach Le Pont zu folgen und die Grenze zu erreichen, ohne erkannt zu werden. Und jetzt brüllte irgend so ein Trottel auf offener Straße lauthals seinen Namen.
Er hob die Hand zum Gruß und ging auf den Mann zu. Wenn er schon aufgeflogen war, musste er die Sache nicht noch verschlimmern, indem er sich seltsam verhielt, sich taub stellte oder davonrannte.
Dass man ihn erkannt hatte, ärgerte ihn gewaltig. Er hatte sich eigens Kleider besorgt, die ihn älter, kleiner und weniger lorelisch aussehen ließen. Zugegebenermaßen hatte er darauf verzichtet, sich einen falschen Bart anzukleben oder das Haar zu färben, weil eine solche Verkleidung die Strapazen der Reise niemals überstanden hätte. Beim nächsten Mal würde er sich mehr Mühe geben, schwor er sich.
Er konnte sich glücklich schätzen, die Gewänder überhaupt bekommen zu haben. Als er Barle drei Nächte zuvor geweckt hatte, hatte Rey für einen Augenblick befürchtet, der Leiter der Theatertruppe würde das Werk der Züu vollenden. Doch nach einer endlosen Tirade über Nachtschwärmer, Herumtreiber und Taugenichtse, die Schwierigkeiten anzogen wie das Licht die Motten - und dabei hatte er sich doch geschworen, solches Lumpenpack nicht mehr in seinen Zirkuswagen zu lassen - war Barle bereit gewesen, dem jungen Schauspieler zu helfen. Er hatte ihm Kleidung, Essen und - Rey konnte es immer noch nicht glauben - eine prall mit Goldterzen gefüllte Geldbörse gegeben. Und das ungefragt! Die einzige Bedingung war, dass Rey eines Tages zurückkehrte und wieder mit ihnen auftrat, um seine Schulden zu begleichen.
Dann war Barle mit der ganzen Truppe Richtung Partacle abgereist, in der Hoffnung, Reys Verfolger auf eine falsche Fährte zu locken.
Aber all das war für die Katz, wenn seine Tarnung wegen eines dahergelaufenen Trottels aufflog. Der Kerl wedelte inzwischen wie wild mit den Armen. Wie hieß er noch gleich? Tiric? Iryc? Rey beschleunigte seine Schritte und stand endlich vor ihm.
»Du musst meinen Namen ja nicht gleich durchs ganze Dorf brüllen. Ich bin nicht taub«, zischte er statt einer Begrüßung.
»Willst wohl nicht erkannt werden, was? Keine Angst, ich weiß Bescheid.«
Rey musterte sein Gegenüber wortlos. Der Mann freute sich offensichtlich über die Wirkung seiner Worte. Er verzog den Mund zu einem höhnischen Grinsen und entblößte ein gelbliches Gebiss mit vielen Zahnlücken. Seine Kleidung starrte vor Dreck, das Haar war verfilzt, und sein Atem stank nach billigem Wein.
Woher kannte er den Kerl bloß? Rey konnte sich vage erinnern, ein paar Mal mit ihm und ein paar anderen Saufbolden auf Zechtour gewesen zu sein. Doch er wusste nicht mehr, wo - das heißt, in welchem Gasthaus - er ihm zum ersten Mal begegnet war. Allerdings waren ihm in seinem Leben schon Hunderte Namen und Tausende Gesichter untergekommen. Was war der Kerl noch gleich von Beruf?
Nun plusterte sich sein Gegenüber auf, die Hände in den Hosentaschen. »Ich weiß ja nicht, was du verbrochen hast, mein Freund. Du scheinst ein gefragter Mann zu sein«, sagte er. »Die Gilde hat zweihundert Terzen auf deinen Kopf ausgesetzt. Aber das weißt du bestimmt, oder?«
Die Gilde. Das war sein Ende. Wenn die Züu gemeinsame Sache mit dem organisierten Verbrechen machten, um ihn zu finden, musste er auf der Stelle die Grenze überqueren. In Lorelien war er seines Lebens nicht mehr sicher.
»Darlane sagt, er dreht uns eigenhändig die Gurgel um, wenn wir dich nicht vor Safrosts Männern finden. Darlane hat Schiss, dass ihm der Auftrag durch die Lappen geht. Dafür würde er sogar die Abmachungen der Großen Gilde in den Wind schlagen. Alter Freund, da gibt’s ein paar Kerle, die dir ernsthaft ans Leder wollen, so viel steht fest.«
Safrost? Den Namen hatte Rey schon mal irgendwo gehört. War das nicht der Anführer der goronischen Gilde?
Er saß ganz schön in der Klemme. In einer Klemme, die so groß war wie die gesamten Oberen Königreiche.
»Aber mach dir nicht ins Hemd. Wir sind Kumpel, so was wie Brüder. Ich verpfeif dich nicht, auch nicht für einen Sack voll Gold. Du kennst mich.«
Genau das war das Problem. Ich kenne dich
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