Die Magier 01. Gefährten des Lichts - Six héritiers (Le Secret de Ji, Bd. 1)
noch wir drei übrig sind. Aber wenn ich mir meine Liste ansehe …«
Sie beendete den Satz nicht, und beide schwiegen eine Weile.
»Wie viele Erben gibt es denn? Ich meine, wie viele gab es, bevor die Morde anfingen?«
»Das weiß ich nicht so genau. Siebzig oder achtzig, und in den letzten drei Jahren hat es gewiss noch einige Geburten gegeben. Außerdem kommen längst nicht alle Erben zu den Zusammenkünften. Die Hälfte kenne ich nur dem Namen nach. Manche wissen vermutlich noch nicht einmal, dass sie Erben sind. Xan hatte vor, in diesem Jahr alle zu versammeln. Das ist schon lange nicht mehr geschehen.«
Yan rechnete rasch nach. »Das sind aber nicht viele. Wenn man von zwei Kindern in jeder Generation ausgeht, und das seit über einem Jahrhundert, müsste es längst über hundert Erben geben.«
»Das stimmt. Vielleicht ist es besser so, angesichts der Umstände …«
»Und wie viele sind tot?«
»Meiner Liste zufolge einunddreißig.« Corenn schluckte schwer und wandte den Blick ab. »Aber sie ist bestimmt nicht vollständig.«
Yan hörte auf, sie mit Fragen zu löchern. Obwohl sie sich zusammenriss, standen der Mutter Tränen in den Augen.
Es dauerte einen Augenblick, bis ihm die Bedeutung ihrer Worte bewusst wurde.
Gegen Mit-Tag machten sie auf einem Hügel Rast, von dem aus sie den Weg in beide Richtungen überblicken konnten. Grigán bezog im Schutz einiger Bäume Posten und suchte unruhig den Horizont ab. Létis Gesicht hatte wieder etwas Farbe bekommen - eine Weile zu schlafen, und sei es auf dem Rücken eines Pferds, hatte ihr gutgetan. Die Gefährten wechselten kaum ein Wort und brachen rasch wieder auf. Grigáns Unruhe hatte die anderen angesteckt.
Diesmal saß Léti hinter Corenn. So fiel es Yan zwar leichter, das Gleichgewicht zu halten, aber er vermisste das Gefühl von Létis Körper an seinem Rücken. Doch sie mussten sich abwechseln, um die Pferde zu schonen.
Der restliche Tag verspricht eintönig zu werden, dachte Yan, nachdem sie ein paar Meilen zurückgelegt hatten, ohne dass etwas passierte. Da seine Gefährten schwiegen und ihren Gedanken nachhingen, beschloss er, das Beste daraus zu machen und sich die Landschaft anzusehen. Doch schon bald war er der ewigen Büsche und Bäume überdrüssig, die er aus der Umgebung von Eza kannte und die ihm zudem die Sicht versperrten. Deshalb war er fast dankbar über die Abwechselung, als Grigán von einem seiner Erkundungsritte zurückkam und besorgt sagte: »Ein Reiter kommt auf uns zugaloppiert. Er trägt ein Priestergewand.«
»Ein rotes Priestergewand?«, fragte Léti scharf.
»Nein, aber das muss nichts heißen.«
»Glaubt Ihr, es ist ein Zü?«
»Nein, das glaube ich nicht. Sie treten fast nie allein auf - aber ich würde nicht mein Leben darauf verwetten.«
»Seid Ihr wirklich sicher, dass die drei, die Euch gestern angegriffen haben, tot sind?«, mischte sich Yan ein.
»So tot wie die Könige von Lermian«, antwortete Grigán mit finsterer Miene. »Ich greife zwar nie als Erster an, sorge aber immer dafür, dass meine Feinde im Kampf den Tod finden. Das ist eine der wichtigsten Regeln, wenn man überleben will.«
Yan stellte sich vor, wie Grigán einem um Gnade flehenden Verletzten kaltblütig die Kehle durchschnitt. Entsetzt blinzelte er das Bild weg. Gewiss hatte der Krieger nur sagen wollen, dass er nicht davor zurückschreckte zu töten, um sein eigenes Leben zu retten.
»Was schlagt Ihr vor?«, fragte Corenn.
»Wir verstecken uns. Wir sollten Kämpfe vermeiden, wann immer es geht.«
»Sollen wir uns etwa jedes Mal verstecken, wenn wir jemandem begegnen?«
Drei überraschte Blicke richteten sich auf Léti. In ihrer Stimme lag Wut.
»Nein, natürlich nicht«, antwortete ihre Tante beschwichtigend. »Aber im Moment ist es das Beste. Wir dürfen uns nicht in Gefahr begeben. Unser Leben steht auf dem Spiel. Verstehst du das?«
»Das ist doch nur ein Reiter, der es eilig hat«, sagte Léti mürrisch. »Und selbst wenn es ein Zü sein sollte, ist er allein. Grigán wird schon mit ihm fertig.«
»Ist dir eigentlich klar, was du da sagst?«
Léti antwortete nicht. Vielleicht war sie tatsächlich etwas zu weit gegangen. Grigán schüttelte ungläubig den Kopf und führte seine Gefährten abseits vom Weg hinter ein Wäldchen, wo sie absaßen.
Corenn versuchte, ihre Nichte zur Vernunft zu bringen. »Dieser Weg ist der kürzeste von Kaul nach Lorelien, im Grunde sogar der einzige. Die Züu werden ihn überwachen, weil
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