Die Magier 01. Gefährten des Lichts - Six héritiers (Le Secret de Ji, Bd. 1)
schwang sich in den Sattel. Zum Glück warf ihn das Pferd nicht gleich wieder ab. Er ritt auf den Ausgang des Dorfs zu.
Aus einer Seitenstraße hörte er schallendes Gelächter. Yan beugte sich vor. Ein paar Kinder zeigten mit dem Finger auf ihn und kicherten. Er kniff die Augen zusammen, zeigte seinerseits mit dem Finger auf sie und zischte, als ob er eine Verwünschung ausstieße. Die Kinder rissen die Augen auf und stoben in alle Richtungen davon. Yan freute sich über den Erfolg seiner kleinen Schauspieleinlage.
Eine Meile hinter dem Dorf stieß er auf Grigán, Corenn und Léti.
»Scheint alles gut gegangen zu sein«, sagte der Krieger.
»Macht Ihr Witze? Ich bin von einer Bande kleiner Menschenfresser angegriffen worden, die mich bei lebendigem Leibe verschlungen hätten, wenn ich nicht eine Kriegslist angewandt und sie heldenmutig in die Flucht geschlagen hätte.«
»Gewiss.«
»Es waren mindestens zwanzig. Sie waren mit langen Messern bewaffnet, und der Geifer tropfte ihnen nur so aus dem Maul. Ihr stinkender Atem und ihre Giftzähne …«
»Ja, ja. Los, reiten wir weiter.«
»In ihren blutunterlaufenen Augen lauerte die Mordgier, und ich glaubte, mein letztes Stündlein habe geschlagen, als der Anführer seine Waffe zum Himmel hob und ein Lied anstimmte, in das bald alle einfielen: Der Krebs und die Krabbe spazieren am Strand, der Krebs und die Krabbe gehen Hand in Hand …«
»Das ist doch ein Kinderlied?«
»Ja. Ich weiß auch nicht, warum sie das sangen.«
Sogar Léti, die eigentlich schmollen wollte, musste lachen.
Erst weit nach der sechsten Dekade, als es bereits dämmerte, hieß Grigán sie Halt machen. Wie üblich führte er seine Gefährten vom Weg fort und in ein kleines Wäldchen hinein. Sie kämpften sich durchs Unterholz und überquerten erst eine und dann noch eine Lichtung. Nachdem er die Umgebung gründlich abgesucht hatte, erlaubte der Krieger ihnen auf der dritten Lichtung, das Nachtlager aufzuschlagen.
Da ihnen die Mägen knurrten, aßen sie zuerst etwas. Nach der Mahlzeit waren alle schläfrig. Die Erschöpfung der Reise und der letzten Nacht steckte ihnen noch in den Knochen.
Yan wollte sich gerade eine weiche Stelle zum Schlafen suchen, als Grigán sagte: »Heute Nacht bauen wir besser die Zelte auf. Am Himmel braut sich was zusammen. Es würde mich nicht wundern, wenn es regnet.«
»Verflixt, ich bin wirklich ein Pechvogel. Erst die Menschenfresser, und jetzt auch noch Regen.«
Mit letzter Kraft bauten sie die beiden kleinen Zelte auf, die ihnen zur Verfügung standen: Grigáns und Corenns. Yan würde wohl oder übel mit dem Krieger in einem Zelt übernachten müssen. An jedem anderen Abend wäre ihm das gegen den Strich gegangen, doch jetzt war es ihm so egal wie der pelzige Hintern eines Margolins. Er wollte nur noch schlafen.
Die drei Kaulaner verschwanden in den Zelten. Grigán erklärte, Wache halten und sich um die Pferde kümmern zu wollen. Yan fragte sich, ob dieser Mann niemals müde wurde. Abermals dachte er, dass er froh über seine Anwesenheit war. Kaum hatte Yan sich ausgestreckt, fiel er in einen tiefen Schlaf.
Mitten in der Nacht wachte er auf. Grigán lag neben ihm und wälzte sich lautlos im Schlaf hin und her. Yan hatte nicht gehört, wie er hereingekommen war und sich niedergelegt hatte.
Feiner Regen prasselte auf das Zeltdach, und ein leichter Wind ließ den Stoff flattern.
Yan drehte sich auf den Rücken und versuchte, wieder einzuschlafen. Sein Nacken schmerzte dort, wo Grigáns Schlag ihn getroffen hatte. Er rieb sich die Muskeln, aber der Schmerz ließ nicht nach, sondern hielt ihn wach, und so lag er da und ließ seine Gedanken schweifen.
Am Tag zuvor hatte er sich durch das Buschland im Süden Kauls gekämpft. Jetzt war er in Lorelien und teilte das Zelt mit einem Fremden, der ihn beinahe getötet hätte. Was würde der Morgen bringen? Und die nächsten Tage?
Auch wenn die Umstände alles andere als glücklich waren, freute er sich, dass etwas Abwechslung in sein Leben gekommen war. Allerdings hatte er anders als Léti, Corenn und Grigán auch noch keine wirklichen Gefahren bestehen müssen.
Gab es tatsächlich jemanden, der ihnen nach dem Leben trachtete? Trotz der Schilderungen seiner Gefährten fiel es ihm schwer, das zu glauben. Wie sahen die Züu wohl aus? So wie Corenn sie beschrieben hatte, stellte er sie sich groß und stark vor, mit einem bösartigem Blick und schlichten, vom Blut ihrer Opfer rot gefärbten Gewändern.
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