Die Magier 01. Gefährten des Lichts - Six héritiers (Le Secret de Ji, Bd. 1)
ihm den Anhänger geschenkt zu haben? Er schob die düsteren Gedanken beiseite und wandte sich der Alten zu.
Diese sah sich die Muschel eine Weile an und wölbte dann ihre Hände darum. Mit geschlossenen Augen und versunkener Miene drehte sie langsam den Kopf. Yan kam die ganze Szene plötzlich seltsam vor, doch jetzt war es zu spät, um der Frau Einhalt zu gebieten. Außerdem war er gespannt, was sie sagen würde, selbst wenn sie das Blaue vom Himmel herunterlog.
Die Alte stieß ein langgezogenes Ächzen aus. Es klang, als leide sie entsetzlich oder aber als stöhne sie vor Glück. Dann schlug die Frau die Augen auf. »Du bist Fischer.«
Geduldig wartete Yan, dass sie weitersprach. Dann merkte er, dass sie auf eine Antwort wartete. Er nickte.
Die Alte lächelte. Ihr Kopf drehte sich immer noch wie ein Karrenrad. »Du willst etwas. Du willst kein Fischer mehr sein, nicht mehr allein.«
Da Yan nicht wusste, was er sonst tun sollte, nickte er erneut.
Die Alte gab ein ersticktes Gegacker von sich. »Du liebst eine Frau, junge Frau, liebst sie sehr. Stimmt?«
Yan zeigte keine Regung. Er wollte die Frage bejahen, hatte aber Angst vor Létis Reaktion.
Die Alte verzog spöttisch das Gesicht. »Jetzt ich sage dir Morgen.« Abermals schloss sie die Augen, stieß einen weiteren Seufzer aus und sprach mit tiefer, eintöniger Stimme. »Nächstes Jahr schließt du Bund mit Frau, die du liebst. Sie wird Anführerin von deinem Dorf. Du bist kein Fischer mehr. Viele Reisen. Du bist sehr reich. Sehr glücklich. Du hast zwei Söhne. Starke Jungen. Du bist stolz. Sehr glücklich. Du lebst lange mit Frau. Willst du wissen, wie lange?«
»Nein!« Yan wollte nicht wissen, wann er starb, ob die Worte der Alten wahr oder erlogen waren.
Die Frau nickte. »Du hast recht. Besser, wenn man Zukunft nicht zu gut kennt.«
Sie gab ihm seine Mondkönigin zurück, drehte sich um und schlurfte davon. Yan wusste nicht, was er davon halten sollte.
›Besser, wenn man Zukunft nicht zu gut kennt.‹ Warum hatte sie ihm dann unbedingt die Zukunft vorhersagen wollen?
»Das ist ja noch mal gut gegangen. Du hast Glück gehabt.«
Yan sah seine Freundin an. Wollte sie ihn auf den Arm nehmen? Nein, ihr Gesicht war ernst. Sie kehrten dem Marktstand den Rücken und schlenderten weiter.
»Wie meinst du das?«
»Sie hätte dir schreckliche Dinge vorhersagen können, Schicksalsschläge, Krankheiten, Tod. Sie hätte dir sogar den genauen Zeitpunkt nennen können. Aber sie hat dir nur Angenehmes prophezeit und nichts als vage Andeutungen gemacht. Deshalb hast du Glück gehabt.«
»Ich dachte, du würdest nicht daran glauben.«
»Doch, das tue ich. Wenn man über die Erben von Ji nachdenkt, meine Tante und die anderen, drängt sich einem der Gedanke auf, dass das, was die meisten für unmöglich halten, vielleicht doch möglich ist. Aber es nützt nichts, sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Außerdem hatte die Alte mehr von einer Bettlerin als von einer Seherin.«
»Was hat deine Tante mit dem Unmöglichen zu tun?«
»Vergiss, was ich gesagt habe. Vielleicht erzähle ich es dir eines Tages.«
Yan verzog das Gesicht. Die Worte der Alten hatten ihn enttäuscht, und jetzt erfuhr er zu allem Überfluss, dass Léti und Corenn Geheimnisse vor ihm hatten. Er schob den Gedanken schnell beiseite, da er ihm die Laune verdarb. »Glaubst du, sie hat die Wahrheit gesagt? Glaubst du, so wird mein Leben verlaufen?«
»Vielleicht. Es gibt Schlimmeres, oder?«
»Ich weiß nicht.«
»Du müsstest mal dein Gesicht sehen! Ich sage ja, es ist besser, die Zukunft nicht zu kennen.«
Eine Weile liefen sie schweigend nebeneinander her. Um ihren Freund aufzuheitern, fuhr Léti fort: »Würde es dir nicht gefallen, zwei Söhne zu haben? Zu reisen? Reich zu sein? Lange zu leben? Du hast doch wohl nicht erwartet, dass sie sagt: ›Du wirst König sein, in die Schlacht ziehen, dank einer vergessenen Prophezeiung die Welt retten und allerlei Abenteuer bestehen.‹ Das Leben ist keine Rittergeschichte!«
Yan überhörte ihren Sarkasmus. Ihm fiel auf, dass Léti mit keinem Wort den Bund erwähnte, den die Alte ihm für das folgende Jahr vorhergesagt hatte - zweifellos in voller Absicht.
»Natürlich würde mir das gefallen. Aber ich glaube, sie hat das alles nur erfunden. Was sie über die Gegenwart gesagt hat, war nicht schwierig zu erraten, und den Rest hat sie sich ausgedacht. Deshalb glaube ich, dass ich großes Glück habe, wenn alles so kommt.«
Beide hingen ihren
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