Die Magier 01. Gefährten des Lichts - Six héritiers (Le Secret de Ji, Bd. 1)
sich verschwörerisch zu. Rey ergriff Yans Arm und zog ihn behutsam nach draußen.
»Komm! Gleich geht die Sonne auf, und wir stehen hier immer noch neben einer Leiche herum und palavern. Was meinst du, was los ist, wenn uns jemand sieht? Hast du dir eigentlich schon überlegt, wie du mit deinem Pferd aus der Stadt kommst?«
Ein Pfiff gellte durch die Nacht.
Nuguel war nicht nach Spielchen zumute. Die Züu hatten ihn als einzige Wache am Tor von Leem postiert. Seine Kumpel lagen längst in ihren Betten und schliefen oder amüsierten sich mit einer Frau, während er sich die Nacht um die Ohren schlagen und ein verdammtes Tor bewachen musste, das ohnehin niemand passieren wollte.
Wenn der Blödmann nicht bald mit seinem dämlichen Gepfeife aufhörte, würde er ihm das Maul stopfen.
Nuguel hätte ihn längst zum Schweigen gebracht, wenn er nur wüsste, wo die Pfiffe herkamen. In der nächtlichen Stille trugen Geräusche weit; der Störenfried konnte sich in jeder der unzähligen Gassen verstecken, die zum Tor führten.
Das war kein Nachtschwärmer, der sich des Lebens erfreute. Irgendjemand legte es darauf an, ihn zur Weißglut zu treiben. Sobald Nuguel stehen blieb, erstarb das Pfeifen. Tat er einen Schritt, ging es wieder los. Nuguel hätte alles dafür gegeben, seine Wut an dem Kerl auslassen zu können - oder an einem dieser Erben, nach denen sie suchten. Oder an irgendjemanden, solange er ihm nur wehtun konnte.
»Wenn ich dich in die Finger kriege, reiße ich dir die Zunge aus dem Hals«, knurrte er vor sich hin.
»Wenn du es schaffst, mich zu fangen, reiße ich sie mir selbst heraus«, schallte es laut und triumphierend zurück.
Nuguel stürzte sich in die Gasse, aus der die Stimme gekommen war, und frohlockte bei dem Gedanken, den Kerl endlich zu erwischen.
Aber die Gasse war leer. Das Einzige, was er sah, war ein Holzbrett, das auf sein Gesicht zuraste.
Rey überlegte, ob er den Bewusstlosen töten sollte. Doch da der Kerl keinen Alarm geschlagen hatte, brav in die Falle getappt und lautlos zu Boden gegangen war, sodass Yan ungesehen durch das Tor hatte schlüpfen können, beschloss er, sein Leben zu schonen. Er würde ihn nur um seine Geldbörse erleichtern und ihm die Beule als Andenken hinterlassen.
Rasch zog er den leblosen Körper etwas tiefer in den Schatten, dann trat auch Rey durch das Tor von Leem.
Yan war schon nicht mehr zu sehen. Rey hörte nur noch das Hufgetrappel seines Pferdes. Kein Grund, noch länger herumzutrödeln. Forschen Schrittes ließ er die Stadt hinter sich.
Sobald Berce außer Sicht wäre, würde er sich waschen. Selbst nach über einer Dekade hatte er sich nicht an den strengen Geruch gewöhnt, der seiner Verkleidung Glaubwürdigkeit verlieh. Leider war er im Laufe der Zeit kaum schwächer geworden. In regelmäßigen Abständen war Rey sein eigener Gestank in die Nase gestiegen und hatte ihn an den frischen Dung erinnert, den er sich ins Gesicht geschmiert hatte. Jedes Mal hatte sich ihm der Magen umgedreht, aber die Idee war dennoch gut gewesen, denn niemand hatte ihn angesprochen.
Und dann war dieser junge Kaulaner aufgetaucht.
Ihm fiel ein, dass er vergessen hatte zu fragen, mit wie vielen Erben er unterwegs war und wie sie hießen. Der Junge hätte es ihm zwar vermutlich nicht verraten, aber trotzdem. Jetzt würde er als selbstsüchtig dastehen.
Egal, er hatte getan, was er konnte. Wenn sie nicht zu dem vereinbarten Treffen kamen, dann eben nicht. Er würde schon allein zurechtkommen, schließlich war er das gewohnt.
Erst einmal musste er sein Gepäck holen, das er eine halbe Meile vor den Toren der Stadt versteckt hatte, und sich endlich den Dreck aus dem Gesicht waschen.
Schließlich ging er zu einer Art Familientreffen.
Yan durfte keine Zeit verlieren. Dank der Hilfe des Bettlers hatte er die Stadt ohne Zwischenfälle verlassen können, allerdings durch das Osttor, obwohl er nach Westen wollte.
Um nicht von den Wachen der anderen Tore gesehen zu werden und eventuelle Verfolger abzuschütteln, hatte er einen weiten Umweg um Berce gemacht und sich natürlich verirrt. Zu Fuß hätte er weniger Schwierigkeiten gehabt, sich zurechtzufinden, selbst in fremder Umgebung. Aber zu Pferd … Warum konnte das Tier nicht einfach geradeaus laufen? Was war daran so schwierig? Zum Glück stieß er bald wieder auf den Weg. Es konnte jetzt nicht mehr weit sein.
Es war nun doch eine Menge passiert, und er konnte es kaum erwarten, seinen Freunden davon zu erzählen.
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